Die permanente Wiederholung einer Erfolgs- meldung ist die Voraussetzung für den Erfolg. - Wenn Themen und Dramaturgie entscheiden, haben Kohl & Co. Bundestagswahlen in den neunziger Jahren stets schon im voraus ge- wonnen.
Männer Vogue, München
vom 1. März 1990
von Reimar Oltmanns
Zweifelsohne gehört er zu den verschlagensten Kulissenschiebern auf der Bühne der Bonner Operettenrepublik. Dabei sieht sich Peter Radunski,51, ganz dezent in der stählernen Rolle eines Politingenieurs: eines Technikers eben, der es versteht, die Volkspartei CDU vorübergehend zum größten Dienstleistungsunternehmen in der Republik zu trimmen. "Ich halte es mit Faust: Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen", sagt sibyllinisch der wetterfühlige Politverkäufer. Als Bundesgeschäftsführer der CDU führt er vom 14. Stock des Konrad-Adenauer-Hauses, der Parteizentrale, für seinen Markenartikel CDU Werberegie. Nicht umsonst hat Radunski lange Zeit in Amerika zugebracht und dort mit seinen Fischaugen die staatstragenden Show-elemente der Wahlkampfszenarien studiert - nun wird kopiert. "Ob weiche Pampers-Windeln oder widerborstige Politik", hat er gelernt, "eines haben beide gemeinsam: Sie müssen appetitlich verkauft werden. Da beißt die Maus keinen Faden ab." Und im gleichen Atemzug zitiert er den früheren Ex-Präsidenten Richard Nixon mit einem Satz , den er seinen CDU-Mitgliedern als Überlebensmaxime stets aufs neue einhämmert: "Die Öffentlichkeit kauft Namen und Gesichter - keine Partei-programme, und ein Kandidat für ein öffentliches Amt muss fast auf die gleiche Weise in den Handel gebracht werden wie ein anderes Produkt." New politics nennen die Amerikaner ihre Wahlkampfmixtur aus kommerziellen Werbemaßnahmen, Kandidatenshow und Medienspektakel. Wahrhaft perfektioniert hat diese Art der Politverkäufe der Ex-Präsidentendarsteller Ronald Reagan.
MÄTZCHEN UND KINKERLITZCHEN
Peter Radunski - in den "wilden 68er Jahren" Politologe - hat sich in nunmehr zehn Jahren zu einem ausgebufften CDU-Werbemanager entwickelt, einem Macher im Hintergrund, der es versteht, Mätzchen und Kinkerlitzchen nachhaltig ins (Unter)-Bewusstsein des Wahlvolkes zu rücken. Über derlei Wahlkampfführung hat Radunski sogar schon ein Buch geschrieben, das mittlerweile den Ruf eines wissenschaftliches Standardwerkes hat. Radunski und seine Mannen aus der industriellen Top-Werbung besitzen Routine darin, CDU-Figuren generalstabsmäßig auf ihrem Schachbrett in Aktion treten zu lassen. Dass sich bei alldem die politische Reklame in den letzten Jahrzehnten ganz systematisch der Markenartikelwerbung angeglichen und ihren Platz zwischen Blendax-Anti-Belag und Sano gefunden hat, versteht sich sozusagen von selbst. Landtagswahl nach Landtagswahl rattert in den ersten Monaten der Neunziger Jahrzehnts durch die Republik wie dazumal die Lochstreifen durch die Fernschreiber. Und der "größte Hammer", so Radunski, der kommt, wenn die Menschen draußen im Lande den Bundestag neu zusammensetzen. Dann muss Werbung greifen.
EIN LAND WIRD NEU VERMESSEN
Nur, so will es scheinen, auf nichts, was bisher Erfolg garantierte, können sich Deutschlands Wahlmanager in Zukunft verlassen. Unberechenbarkeit heißt der Reizbegriff dieser Monate - quer durch alle Parteizentralen. Stärker denn je befindet sich die Bundesrepublik in einer Phase, in der Lebensumstände, Gefühle, aber auch die Inhalte neu vermessen werden. Kein Meinungsforscher, nicht einmal die engste Kanzler-Vertraute, Elisabeth Noelle-Neumann aus Allensbach, kann mit seriöser Wahrscheinlichkeit vorhersagen, ob nicht das über Jahre in sich intakte Parteigefüge einen argen Knacks bekommen wird, ob sich künftig nicht vielleicht sogar sechs politische Gruppierungen im Parlament um den pathetisch hochgepriesenen Konsens aller Demokraten balgen werden.
Klar ist allein, dass die Stammwählerschaft der etablierten Parteien dahinschmilzt, Man legt sich nicht mehr fest.
Noch Ende der sechziger Jahre votierten neun von zehn Deutschen unverrückbar für eine Partei. Heute hingegen gehören beispielsweise nur noch dreißig Prozent der Unionswähler zu jener sicheren Klientel, die im Zweifel auch einen aufgestellten Pappkarton mit dem Aufkleber CDU wählen würde. Exakt 70 Prozent fallen dagegen unter die Kategorie "unsichere Kantonisten". Für die anderen Parteien dürfte in etwa dasselbe gelten. Es gibt also ein beträchtliches Potenzial an Wählern, die "tendenziell anfällig für Abwerbeversuche" - positiv ausgedrückt: offen für Anwerbeversuche - sind. Gebraucht wird daher eine super Wahlstrategie.
MACHTHUNGER, BAUERNSCHLÄUE
Folglich suchte die CDU-Spitzengruppe mit monotoner Beharrlichkeit nach einem zentralen Wahlkampfthema, das den Menschen unter die Haut gehen sollte. Seit Kohls Regentschaft hängt man in Bonn der machiavellistischen Gesetzmäßigkeit an, die da lautet: "Wer die Ideen hat und auch die richtigen Begriffe wählt, hat auch die Macht über das Denken der Menschen." Ursprünglich dachte man an den Begriff der "Ökosozialen Marktwirtschaft" unter dem Motto "Neu denken für Wirtschaft und Umwelt".
Als Parteimanager Radunski in jener Zeit der "wahlstrategischen Ungewissheit" eines Tages wieder ins Palais Schaumburg zitiert wurde, konnte er freilich nicht ahnen, dass Kohl , der begabte Wahldramaturg, das ursprüngliche Thema verworfen und "einen genialen Einfall" geboren hatte. Kohl lachte breit und aasig wie selten. Die sonst unstet flackernden Augen lagen ruhig im fleischigen Pokerface, die Gesichtszüge waren zufrieden entspannt. Als Kohl das von ihm selbst kreierte Wahlkampfthema erläuterte: die BRD-DDR-Konföderation. Während er sprach, zeichnete sich Machthunger, Bauernschläue, Dickfelligkeit und unverbindlichen Betroffenheit auf seinem Gesicht ab. Radunski entschied, das seien all die Eigenschaften, aus denen Kanzler dieser Tage gestrickt werden. Und begeistert stimmte er zu: "Herr Bundeskanzler, das ist eine wahnsinnig zündende Idee, genau die, die uns fehlte. Damit werden wir die Wahlen gewinnen, und die anderen Parteien laufen uns hoffnungslos hinterher."
ENKEL ADENAUERS
Natürlich dachte Kohl gar nicht daran, sein Wahlkampfthema mit den westlichen Verbündeten abzustimmen, es sich gar von dem profilsüchtigen Koalitionspartner FDP wegnehmen zu lassen. Dass das korrupt-heruntergewirtschaftete SED-Regime in der DDR unfreiwillig die Munition dazu liefern würde, lag für Kohl in der Natur der Geschichte. Ergo trug der CDU-Parteivorsitzende in seiner Eigenschaft als 6. Kanzler der Republik sein ureigenstes Wahlkampfthema ohne jegliche parteifremde Absprache der Öffentlichkeit vor - exklusiv im Bundestag. Selbst das international distanzierte Geraune konnte ihn wenig irritieren. Radunski unbeeindruckt: "Wir haben hier eine Wahlschlacht zu bestehen und nicht die da in London, Moskau oder sonst wo."
Wahlkampf bedeutet Namen mit unverwechselbaren Themen zu besetzen. Selbst die neue DDR-Führung sei ja von der Kohlschen Konföderation angetan. Radunski erkennt: "Kohl ist ja doch irgendwie der Enkel Adenauers."
MARKEN-IDENTITÄT DEUTSCHLAND
Zumindest in einem hat er die Kontinuität sicher gewahrt. Bei der letzten
Bundestagswahl hieß es schon mit nationalem CDU-Zungenschlag in den Landen: "Weiter so, Deutschland." Nunmehr dürften sich auf den CDU-Plakaten die Deutschen in zwei Staaten aus Ost und West schon "ein Volk" nennen. Verständlich, dass die Union die Meinungsführerschaft der "Markenidentität Deutschland" für sich allein reklamiert und den Sozialdemokraten wieder einmal den Geruch der vaterlandslosen Gesellen anhängen will. "Deutsche sollen ihre Identität nicht verleugnen", verlautbarte es in Flugblattlettern in der niedersächsischen CDU. Es gehe wirklich nicht an, dass "die Frage der deutschen Einheit tabuisiert wird". tönte es aus deutschen wahlkämpfenden Landen. Und Helmut Kohl ist fortwährend als Hauptredner mit dabei. Der CDU-Zentrale drohte er schon jetzt an, er gedenke in diesem Wahlkampf 187 Einsätze zu fahren.
Zur erlesenen Wahlkampfdramaturgie zählt, dass er - zumindest nach außen - seine Frau Hannelore an seiner Seite weiß. Radunski schwärmerisch: "Die kommt sehr gut an. Sie zu Hause zu lassen hieße, einen Trumpf zu verschenken - und das gerade in diesen frauenbewegten Zeiten. Wir müssen mitnehmen, was zu holen ist - auch an den rechten Rändern."
IN DEN USA GELERNT
Dessen ungeachtet ist Peter Radunski ein Mann des Frontalangriffs, der sich erst beruflich erfolgreich fühlt, "wenn es richtig rappelt im Karton". Was in den USA seit Jahren gang und gäbe ist, feiert hier seine aberwitzige Fortsetzung. In Hundertausenden von Wohnungen werden die Telefone bimmeln. Bis in die Wohnzimmer hinein geht's zur Sache - für die CDU. Ob Massenbriefe, weit über 700.000 Wahlplakate, Broschüren, Anzeigen, Kino- und Fernsehspots, die Mobilisierung möglichst aller Mitglieder - zwei Dinge stehen jetzt schon fest: Der Wahlkampf der Neunziger dürfte um 100 Millionen Mark teurer werden als der letzte, der an die 200 Millionen Mark verschlungen hat. Und fünf Mark gibt es bekanntlich pro Wählerstimme aus dem Steuersäckel. Der Bundesbürger wird quasi selbst seine Parteimüllcontainer mit Wahlmaterial überhäufen.
VERNICHTUNG VON RESSOURCEN
Gegenüber der CDU mit dem modernsten Wahlkampf-Top-Management nehmen sich SPD und Grüne wie eine spesenverklärte Laienschauspielerschar aus - weit und breit kein Thema, das als Stimmungsmacher, Stimmenfänger von Bedeutung sein könnte. Radunski frohlockt: "Wenn es nach der Schlagkraft unserer Apparate ginge, hätten wir schon vor dem Anpfiff haushoch gewonnen."
Der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger nannte schon vor mehreren Jahren diese Materialschlachten "eine Vernichtung von Ressourcen, die prinzipiell uferlos isr, weil sich das Nichts beliebig vermehren läßt."
Männer Vogue, München
vom 1. März 1990
von Reimar Oltmanns
Zweifelsohne gehört er zu den verschlagensten Kulissenschiebern auf der Bühne der Bonner Operettenrepublik. Dabei sieht sich Peter Radunski,51, ganz dezent in der stählernen Rolle eines Politingenieurs: eines Technikers eben, der es versteht, die Volkspartei CDU vorübergehend zum größten Dienstleistungsunternehmen in der Republik zu trimmen. "Ich halte es mit Faust: Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen", sagt sibyllinisch der wetterfühlige Politverkäufer. Als Bundesgeschäftsführer der CDU führt er vom 14. Stock des Konrad-Adenauer-Hauses, der Parteizentrale, für seinen Markenartikel CDU Werberegie. Nicht umsonst hat Radunski lange Zeit in Amerika zugebracht und dort mit seinen Fischaugen die staatstragenden Show-elemente der Wahlkampfszenarien studiert - nun wird kopiert. "Ob weiche Pampers-Windeln oder widerborstige Politik", hat er gelernt, "eines haben beide gemeinsam: Sie müssen appetitlich verkauft werden. Da beißt die Maus keinen Faden ab." Und im gleichen Atemzug zitiert er den früheren Ex-Präsidenten Richard Nixon mit einem Satz , den er seinen CDU-Mitgliedern als Überlebensmaxime stets aufs neue einhämmert: "Die Öffentlichkeit kauft Namen und Gesichter - keine Partei-programme, und ein Kandidat für ein öffentliches Amt muss fast auf die gleiche Weise in den Handel gebracht werden wie ein anderes Produkt." New politics nennen die Amerikaner ihre Wahlkampfmixtur aus kommerziellen Werbemaßnahmen, Kandidatenshow und Medienspektakel. Wahrhaft perfektioniert hat diese Art der Politverkäufe der Ex-Präsidentendarsteller Ronald Reagan.
MÄTZCHEN UND KINKERLITZCHEN
Peter Radunski - in den "wilden 68er Jahren" Politologe - hat sich in nunmehr zehn Jahren zu einem ausgebufften CDU-Werbemanager entwickelt, einem Macher im Hintergrund, der es versteht, Mätzchen und Kinkerlitzchen nachhaltig ins (Unter)-Bewusstsein des Wahlvolkes zu rücken. Über derlei Wahlkampfführung hat Radunski sogar schon ein Buch geschrieben, das mittlerweile den Ruf eines wissenschaftliches Standardwerkes hat. Radunski und seine Mannen aus der industriellen Top-Werbung besitzen Routine darin, CDU-Figuren generalstabsmäßig auf ihrem Schachbrett in Aktion treten zu lassen. Dass sich bei alldem die politische Reklame in den letzten Jahrzehnten ganz systematisch der Markenartikelwerbung angeglichen und ihren Platz zwischen Blendax-Anti-Belag und Sano gefunden hat, versteht sich sozusagen von selbst. Landtagswahl nach Landtagswahl rattert in den ersten Monaten der Neunziger Jahrzehnts durch die Republik wie dazumal die Lochstreifen durch die Fernschreiber. Und der "größte Hammer", so Radunski, der kommt, wenn die Menschen draußen im Lande den Bundestag neu zusammensetzen. Dann muss Werbung greifen.
EIN LAND WIRD NEU VERMESSEN
Nur, so will es scheinen, auf nichts, was bisher Erfolg garantierte, können sich Deutschlands Wahlmanager in Zukunft verlassen. Unberechenbarkeit heißt der Reizbegriff dieser Monate - quer durch alle Parteizentralen. Stärker denn je befindet sich die Bundesrepublik in einer Phase, in der Lebensumstände, Gefühle, aber auch die Inhalte neu vermessen werden. Kein Meinungsforscher, nicht einmal die engste Kanzler-Vertraute, Elisabeth Noelle-Neumann aus Allensbach, kann mit seriöser Wahrscheinlichkeit vorhersagen, ob nicht das über Jahre in sich intakte Parteigefüge einen argen Knacks bekommen wird, ob sich künftig nicht vielleicht sogar sechs politische Gruppierungen im Parlament um den pathetisch hochgepriesenen Konsens aller Demokraten balgen werden.
Klar ist allein, dass die Stammwählerschaft der etablierten Parteien dahinschmilzt, Man legt sich nicht mehr fest.
Noch Ende der sechziger Jahre votierten neun von zehn Deutschen unverrückbar für eine Partei. Heute hingegen gehören beispielsweise nur noch dreißig Prozent der Unionswähler zu jener sicheren Klientel, die im Zweifel auch einen aufgestellten Pappkarton mit dem Aufkleber CDU wählen würde. Exakt 70 Prozent fallen dagegen unter die Kategorie "unsichere Kantonisten". Für die anderen Parteien dürfte in etwa dasselbe gelten. Es gibt also ein beträchtliches Potenzial an Wählern, die "tendenziell anfällig für Abwerbeversuche" - positiv ausgedrückt: offen für Anwerbeversuche - sind. Gebraucht wird daher eine super Wahlstrategie.
MACHTHUNGER, BAUERNSCHLÄUE
Folglich suchte die CDU-Spitzengruppe mit monotoner Beharrlichkeit nach einem zentralen Wahlkampfthema, das den Menschen unter die Haut gehen sollte. Seit Kohls Regentschaft hängt man in Bonn der machiavellistischen Gesetzmäßigkeit an, die da lautet: "Wer die Ideen hat und auch die richtigen Begriffe wählt, hat auch die Macht über das Denken der Menschen." Ursprünglich dachte man an den Begriff der "Ökosozialen Marktwirtschaft" unter dem Motto "Neu denken für Wirtschaft und Umwelt".
Als Parteimanager Radunski in jener Zeit der "wahlstrategischen Ungewissheit" eines Tages wieder ins Palais Schaumburg zitiert wurde, konnte er freilich nicht ahnen, dass Kohl , der begabte Wahldramaturg, das ursprüngliche Thema verworfen und "einen genialen Einfall" geboren hatte. Kohl lachte breit und aasig wie selten. Die sonst unstet flackernden Augen lagen ruhig im fleischigen Pokerface, die Gesichtszüge waren zufrieden entspannt. Als Kohl das von ihm selbst kreierte Wahlkampfthema erläuterte: die BRD-DDR-Konföderation. Während er sprach, zeichnete sich Machthunger, Bauernschläue, Dickfelligkeit und unverbindlichen Betroffenheit auf seinem Gesicht ab. Radunski entschied, das seien all die Eigenschaften, aus denen Kanzler dieser Tage gestrickt werden. Und begeistert stimmte er zu: "Herr Bundeskanzler, das ist eine wahnsinnig zündende Idee, genau die, die uns fehlte. Damit werden wir die Wahlen gewinnen, und die anderen Parteien laufen uns hoffnungslos hinterher."
ENKEL ADENAUERS
Natürlich dachte Kohl gar nicht daran, sein Wahlkampfthema mit den westlichen Verbündeten abzustimmen, es sich gar von dem profilsüchtigen Koalitionspartner FDP wegnehmen zu lassen. Dass das korrupt-heruntergewirtschaftete SED-Regime in der DDR unfreiwillig die Munition dazu liefern würde, lag für Kohl in der Natur der Geschichte. Ergo trug der CDU-Parteivorsitzende in seiner Eigenschaft als 6. Kanzler der Republik sein ureigenstes Wahlkampfthema ohne jegliche parteifremde Absprache der Öffentlichkeit vor - exklusiv im Bundestag. Selbst das international distanzierte Geraune konnte ihn wenig irritieren. Radunski unbeeindruckt: "Wir haben hier eine Wahlschlacht zu bestehen und nicht die da in London, Moskau oder sonst wo."
Wahlkampf bedeutet Namen mit unverwechselbaren Themen zu besetzen. Selbst die neue DDR-Führung sei ja von der Kohlschen Konföderation angetan. Radunski erkennt: "Kohl ist ja doch irgendwie der Enkel Adenauers."
MARKEN-IDENTITÄT DEUTSCHLAND
Zumindest in einem hat er die Kontinuität sicher gewahrt. Bei der letzten
Bundestagswahl hieß es schon mit nationalem CDU-Zungenschlag in den Landen: "Weiter so, Deutschland." Nunmehr dürften sich auf den CDU-Plakaten die Deutschen in zwei Staaten aus Ost und West schon "ein Volk" nennen. Verständlich, dass die Union die Meinungsführerschaft der "Markenidentität Deutschland" für sich allein reklamiert und den Sozialdemokraten wieder einmal den Geruch der vaterlandslosen Gesellen anhängen will. "Deutsche sollen ihre Identität nicht verleugnen", verlautbarte es in Flugblattlettern in der niedersächsischen CDU. Es gehe wirklich nicht an, dass "die Frage der deutschen Einheit tabuisiert wird". tönte es aus deutschen wahlkämpfenden Landen. Und Helmut Kohl ist fortwährend als Hauptredner mit dabei. Der CDU-Zentrale drohte er schon jetzt an, er gedenke in diesem Wahlkampf 187 Einsätze zu fahren.
Zur erlesenen Wahlkampfdramaturgie zählt, dass er - zumindest nach außen - seine Frau Hannelore an seiner Seite weiß. Radunski schwärmerisch: "Die kommt sehr gut an. Sie zu Hause zu lassen hieße, einen Trumpf zu verschenken - und das gerade in diesen frauenbewegten Zeiten. Wir müssen mitnehmen, was zu holen ist - auch an den rechten Rändern."
IN DEN USA GELERNT
Dessen ungeachtet ist Peter Radunski ein Mann des Frontalangriffs, der sich erst beruflich erfolgreich fühlt, "wenn es richtig rappelt im Karton". Was in den USA seit Jahren gang und gäbe ist, feiert hier seine aberwitzige Fortsetzung. In Hundertausenden von Wohnungen werden die Telefone bimmeln. Bis in die Wohnzimmer hinein geht's zur Sache - für die CDU. Ob Massenbriefe, weit über 700.000 Wahlplakate, Broschüren, Anzeigen, Kino- und Fernsehspots, die Mobilisierung möglichst aller Mitglieder - zwei Dinge stehen jetzt schon fest: Der Wahlkampf der Neunziger dürfte um 100 Millionen Mark teurer werden als der letzte, der an die 200 Millionen Mark verschlungen hat. Und fünf Mark gibt es bekanntlich pro Wählerstimme aus dem Steuersäckel. Der Bundesbürger wird quasi selbst seine Parteimüllcontainer mit Wahlmaterial überhäufen.
VERNICHTUNG VON RESSOURCEN
Gegenüber der CDU mit dem modernsten Wahlkampf-Top-Management nehmen sich SPD und Grüne wie eine spesenverklärte Laienschauspielerschar aus - weit und breit kein Thema, das als Stimmungsmacher, Stimmenfänger von Bedeutung sein könnte. Radunski frohlockt: "Wenn es nach der Schlagkraft unserer Apparate ginge, hätten wir schon vor dem Anpfiff haushoch gewonnen."
Der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger nannte schon vor mehreren Jahren diese Materialschlachten "eine Vernichtung von Ressourcen, die prinzipiell uferlos isr, weil sich das Nichts beliebig vermehren läßt."
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