Donnerstag, 29. Februar 1996

Armut in Frankreich - freier Fall ins Elend


Die Konjunktur läuft, aber gleichzeitig steigt die Arbeitslosigkeit. Menschen bleiben draußen vor der Tür. Über 2,5 Millionen Fran- zösinnen leben von Sozialhilfe, eine halbe Millionen ziehen obdachlos durchs Land - jeder vierte Jugendliche bleibt ohne Job. In ehemals reichen Bergarbeiterdörfer - wie hier in Le Chambon Feugerolles in der Loire - oder in vielen banlieues großer Metropolen prägt und bestimmt nur noch die halbwegs ver- steckte Not ihren Alltag. Schriller Überlebens- kampf. "Wir Frauen schämen uns hier in Frankreich noch, wenn uns die Armut er- wischt. Das ist nicht normal", sagt die 48-jährige Annie Bonnard (oberes Bild: Mitte). Hier trifft sie sich mit mittellosen Frauen zu Näharbeiten.



Neue Osnabrücker Zeitung
29. Februar 1996
von Reimar Oltmanns

Nur ein schmaler, gewundener Dienstbotenaufgang führt auf den Dachboden eines verwinkelten Apart- menthauses in der Rue Salengro im Loire-Städtchen Le Chambon Feugerolles in der Nähe von St. Etienne. Hinter einer antiken Holztür ohne Namensschild versteckt sich die Armut dieser Region - Frauen-Armut. Die 48jährige Annie Bonnard kommt seit neun Jahren nahezu täglich zum "Colletif Chômeurs", zur Bürger- initiative der Arbeitslosen in diesem ehemals reichen Bergarbeiter-Ort.

"Einfach deshalb", wie sie knapp bemerkt, "um die krankmachende Isolation zu durchbrechen und ein bisschen Not mit den kostenlosen Fresspaketen der "restaurants du coeur" zu lindern. Wir Frauen verstecken und schämen uns hier in Frankreich immer noch, wenn uns die Armut erwischt hat. Das ist doch nicht normal. Schließlich sind wir in der Mehrheit", fügt sie trotzig hinzu.

VERSTECKTE NOT

Immerhin können die Frauen vom "Collectif Chômeurs" sechs Nähmaschinen und drei Bügeleisen ihr eigen nennen. Geschneidert wird wochentags in drei Gruppen zur "Wiedereingliederung", wie es offiziell bedeutungs- voll heißt. Tatsächlich geht es den Frauen darum, für sich und ihre Kinder wenigstens halbwegs tragbare Kla- motten zu nähen. "Sonst bliebe uns ja nichts", murmelt Annie irgendwie rechtfertigend.

Annie Bonnard ist keineswegs verbittert. Aber viel über Einzelschicksale zu reden, eine sogenannte Betroffen- heits-Mimik wachzurütteln - das hat sie längst aufge- geben. Derlei Szenarien öden sie an. Madame Annie deutet kurz auf ihren leicht gespreizten Mittelfinger der rechten Hand. Jedenfalls will Annie das oft zerkratzte Innenleben jener in Not geratenen Frauen in der Öffent- lichkeit nicht breitgetreten wissen - nicht mehr.

Dabei läuft nichts mehr - so gar nichts mehr - in Le Chambon Feugerolles. An die 55 Prozent der Einwohner und jede zweite Frau lebt ohne Broterwerb. Viele hand- werkliche Kleinbetriebe haben geschlossen, die einst einträglichen Bergwerke liegen brach, Häuser des sozialen Wohnungsbaus stehen leer, Läden verfallen, etliche Bars und Hotels machten stickum dicht. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen beträgt durchschnittlich nur noch 4.150 Euro während es sich etwa im Ring um Lyon noch auf etwa 21.400 Euro beläuft. Und Steuern nimmt die Kommune lediglich ganze 280 Euro je Ein- wohner im Jahr ein. Minusrekorde der Republik, Armutszahlen.

KINDER DIESER STADT: ARM, BETTELARM


"Die Kinder dieser Stadt", flüstert die Sozialarbeiterin Véronique Rullière hinter vorgehaltener Hand, "lernen hier vieles kennen - Hunger, Alkohol, Cannabis, Prosti- tution, Schulden. Das alles spielt sich mehr oder weniger auf den hundert Metern zwischen Jugendhaus und Supermarkt ab, der Kleinstadt-Meile. Nur arbei- tende Eltern, die haben die Jugendlichen noch nie erleben dürfen." Dafür aber unisono ein nachhaltig prägendes Erwachsenen-Milieu, das der rechtsradikalen Front National mit über einem Drittel aller Wähler- stimmen in Le Chambon Feugerolles ihr Vertrauen gab.


An die 800.000 Schul- und Universitätsabgänger, beinahe 24 Prozent der Altersgruppe bis zu 25 Jahre, sind in Frankreich ohne Beschäftigung. Jeder vierte Jugendliche ist ohne Stelle - das sind drei Mal so viele wie in Deutschland. Und die Benachteiligung verdoppelt sich zudem noch für junge Mädchen und Frauen. Nicht nur, dass sie bei gleicher Qualifikation nach wie vor um ein Drittel weniger als Männer verdienen. Ihre Arbeits- losenquote macht immerhin über 14 Prozent aus - und das seit Jahren (Männer 12,2 Prozent).

KAUM ARBEITENDE ELTERN


Ob allein stehende ältere Frauen, die das Rentenalter noch nicht erreicht haben, ob kinderreiche Mütter oder auch junge Mädchen, die von zu Hause fortgegangen sind - ihre Endstation heißt Arbeitslosigkeit, ohne An- spruch auf Unterstützung oder gar Hoffnung auf Ein- stellung irgendwann und irgendwo bei irgendwem. Wenigstens in dieser Sparte sind die Französinnen überproportional präsent - und das durchgängig mit etwa 60 Prozent. Denn mit Sozialhilfe können erst jene kinderlosen Frauen rechnen , so das Gesetz, die das 25. Lebensjahr vollendet haben.

Bis an die 300.000 Jugendliche, so schätzt der Re- gierungsbeauftragte für gesellschaftliche Wiederein- gliederung, Roland Morceau, vagabundieren durch die Republik, ziehen verarmt und hungernd der Sonne und dem Festspielkalender hinterher. Karitative Vereini- gungen veranschlagen die Zahl der Zugvögel, die in ihrer Gesellschaft keine Perspektive finden, auf das Dreifache.

Im Wahlkampf erklärte Präsidenten-Kandidat Jacques Chirac ( 1995-2007)samt seinem Gefolge als gaulli- stische Erneuerer der Nation zumindest rhetorisch der Arbeitslosigkeit und dem gesellschaftlichen Aus- schluss "den Krieg". Erst wenige Monate an der Macht, verhängten sie über südfranzösische Touristen-Metro- polen ein "Bettelverbot". Seither werden nicht nur die Lebensmittelabteilungen der Supermärkte durch Video-Kameras rund um die Uhr wie Banken überwacht. Auf den Parkplätzen spüren Ordnungsdienste mit abgerich- teten scharfen Maulkorb-Wachhunden auf Bordsteinen kauernde Habenichtse auf.

FEINDLICHE STIMMUNGEN


"Armut", empörte sich die Pariser Liga für Menschen- rechte, "ist unter Chirac öffentlich zur Schande erklärt worden". Die Tageszeitung "Le Monde" machte gar landesweit "eine armenfeindliche Stimmung" aus, die gar im "Schatten des Rassismus noch verschlimmert" werde.

KOMIKER COLUCHE

An diesem Nachmittag bei den mittellosen Frauen von Le Chambon Feugerolles schaut Annie mit ihrer Kollegin Céline verstohlen stundenlang aus dem Fenster im ersten Stock der Vorratskammer ihrer Bürger- initiative. Als Armen-Auffangsbecken fühlen sich die etwa zwanzig Frauen um Annie gleichsam für die vom französischen Komiker Coluche im Jahre 1985 gegrün- dete Wohlfahrtsorganisation "resto du coeur" (Armen-Essen) verantwortlich.


EINE MILLIONEN ESSEN - KOSTENLOS

Allein in ihrem Loire-Städtchen konnten sie im vergangenen Winter 918.460 Essen kostenlos - insge- samt 292 Tonnen Lebensmittel - ausgeben. Und das in einem Örtchen, aus dem ein Drittel der Bewohner irgendwie schon weggelaufen ist. Mit anderen Worten: Etwa 16.000 Bürger durften sich im Winter durch- schnittlich zwei Monate lang einmal wöchentlich bei den "Resto-Frauen" satt essen. Madame Annie strahlt, zeichnet sie doch eingegangene Spenden ab. Hinter den Frauen stehen auf dem Tisch Lebensmittel-Kisten voller Camembert-Käse, Hamburger, Kaffee, Marmelade, ganz 658 Liter Speiseöl und sogar sechs Dutzende Sardinen-Dosen, die Verwalterin Annie schon in den Herbsttagen in verschließbare Regale oder Kühl- truhen einzuräumen hat - als "stille Reserve" für hun- gernde Mitbürger in harten Wintertagen sozusagen.

An diesem Nachmittag verlieren sich die Blicke der beiden immer wieder im Weitwinkel-Panorama der gegenüberliegenden Straßenseite. - Dort, wo Wohnungs- lose, Bettler und neuerdings auffallend häufiger Frauen in Kellerabgängen oder auf schmutzüberzogenen Rinn-steinen dösend auf irgendeine x-beliebige 2-Euro-Brot-happen samt Rotwein-Schlückchen warten.

WHISKAS KAUFEN

Die Ausgeschlossenen von Le Chambon Feugerolles sitzen unfreiwillig Kulisse für eine bizarre, schon Kino reife Wirklichkeit, die so manche überzeichneten Kari- katuren längst zu übertreffen vermag. Sie hocken vor einem wandhohen Katzen-Plakat. "Können die Katzen wählen, so würden sie Whiskas kaufen" (Si les chats pouvaient choisir, ils achèteraient Whiskas), lautet jene großflächtige Werbebotschaft an diesem bebilderten Plakatgemäuer auf dem Boulevard de Gaulle. Und Annie Bonnard fragt: "Nur Katzen, nur für die? - Nein, ich habe es erlebt. So manche alte Frau ernährt sich heimlich von Kitekat. Schon Whiskas ist zu teuer."

Vielleicht deshalb weiß Annie Bonnard als betroffene Zeitchronistin der Ausgeschlossenen ("Les exclus") dieser Epoche aus Le Chambon Feugerolles zu be- richten: "Wer wie ich lange genug aus dem Fenster starrt, auf der Suche nach Gesichtern und Gestalten, die ich seit Jahren beobachtet habe, der ist unweigerlich ein Zeuge des Übergangs dieser Stadt zum Armenhaus der reichen französischen Republik. Und wir Frauen werden die Verliererinnen sein. Dieses Land hat seine Balance verloren. Eindeutig."


Seit zehn Jahren ist Madame Annie ohne feste An- stellung. Als Näherin hatte sie sich in einer Textilfabrik ihren Lebensunterhalt verdient. Das Unternehmen machte pleite. Ihr Mann Jacques ließ sie mit drei Töchtern allein zurück. Erst gab es für sie den Allein- erziehenden-Zuschuss des Staates in Höhe von 840 Euro monatlich - und das zehn Jahre lang.

POST-SPARBUCH FÜR ARBEITLOSE


Seit 1989 lebt Annie mit ihren Töchtern von der Sozial-hilfe, in Frankreich kurz RMI - Revenu minimun d'insertion - genannt. Ganze 670 Euro bekommt sie monatlich für vier Personen. Pro Tag sind es etwa 22 Euro - ein Baguette kostet nahezu ein Euro, manchmal auch ein bisschen weniger.

Wie Annie richteten sich in Frankreich nach einer Untersuchung des Pariser Centre d'hébergement et de réadaption (Zentrum für Wiedereingliederung) insge- samt 2.5 Millionen Frauen auf ein Leben mit dem staatlich genehmigten Existenzminimum ein - derzeit 380 Euro.

FILMPALÄSTE DES BÜRGERTUMS


Immerhin: Zwölf Millionen der insgesamt 57 Millionen Französinnen und Franzosen hängen in irgendeiner Form von staatlichen Überlebenszuschüssen (Mindest- rente, Mindesteinkommen, Arbeitslosengeld- und hilfe, Sozialhilfe) ab. Fünf Millionen müssen weniger als mit dem Existenzminimum von derzeit 380 Euro aus- kommen. Vom Arbeitsplatzverlust bis zur letzten Existenzsicherung - der Sozialhilfe - dauert es im Durchschnitt kaum länger als zwei Jahre. Über 3,3 Millionen Menschen sind auf der Suche nach dauer- haften Jobs. Über 2,4 Millionen Arbeitsplätze sub- ventioniert der französische Staat aus seinem Budget. Über eine halbe Millionen Frauen ziehen in ihrer Eigenschaft als SDF "Sans domicile fixe" (ohne festen Wohnsitz) von Flussbrücke zu Flussbrücke; etwa von der Seine, über die Saône und Rhône bis zur Loire. Die einst kulissenreife Clochard-Romantik wird in Frankreich zwar immer noch weinbeseelt besungen - allerdings längst nicht mehr an den sperrigen Schau- plätzen, sondern, nostalgisch verklärt an den Kino-Bars der Filmpaläste des Bürgertums.


S
TROMSPERRE
- RAUSSCHMISS

Der Überlebenskampf vieler Familien findet seit eh und je unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Region Rhône-Alpes, Hauptstadt Lyon, Boulevard des Brot- teaux. Auf dem Schreibtisch der 48jährigen Madame Noelle Boyer-Zeller von der Fédération syndicale des familles monoparentales (Interessenverband allein- erziehender Frauen) liegen die neuesten statistischen Erhebungen. Allein im vergangenen Jahr sind die Stromsperrungen wegen Nichtbezahlung um fünf Prozent, die Kündigung allein erziehender Frauen um neun Prozent gestiegen. Und ein Drittel der in den achtziger Jahren geschlossenen Ehen sind schon wieder getrennt. Über zwei Millionen Jugendliche unter 25 Jahren - jeder zehnte - lebt in Frankreich nur noch bei einem Elternteil, zu über 80 Prozent bei den allein erziehenden Müttern.

HOCHKONJUNKTUR ... ...

Was soviel heißt: Jahrelange Hochkonjunktur für die umsichtige Madame Noelle und ihren Verband. "Ja, ja", sagt sie, "es stimmt schon, dass die wirtschaftliche Maschine wieder läuft. Nur wer einmal durchs Raster gefallen ist, der bleibt chancenlos draußen. Und das sind zuerst Frauen mit Kindern." Düster schaut Madame in die Zukunft. Nach einem Bericht der Genfer Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) wird in Frankreich die Arbeitslosenquote im Jahr 2000 auf 14 Prozent steigen (1995: 12,2 Prozent). "Aber immerhin", sagt Madame. "hat unsere Post im vergangenen Jahr schon en Sparbuch für Obdachlose geschaffen. Das ist doch auch schon was."

Samstag, 24. Februar 1996

Keine Zeit für Wut und Tränen










































In einem Pariser Restaurant feierte sie mit ihrem Mann Hochzeitstag, als die Bombe explodierte und ihre Beine zertrümmerte. Im Klima von Terror und Bürgerkriegs-neurosen boxte sie mit ihrer Selbsthilfegruppe S.O.S.-Attentats Entschädigungsgesetze durch. Das Leben der Françoise Rudetzki oder die Ge- schichte einer ungewöhnlichen Frau.


Tagesspiegel, Berlin
vom 25. Februar 1996
von Reimar Oltmanns


Auf den ersten Blick sieht das alte Backsteinareal am Invalidendom erdrückend andächtig aus. Nicht nur die Militärhistorie aller Schlachten dieser Republik bis 1945 fand ihre ausgesucht verschnörkelte Heimstatt. Ihr Innenraum beherbergt schließlich das Nationaldenk- mal der Franzosen - die Grabstätte Napoléons samt anderer berühmter Kriegshelden. Schweigeminuten, gemächliche Schritte meist soldatischer Männer-Gang- arten tagaus, tagein.

Wenn da auf dem "Corridor de Metz" unter den Arkaden nicht neuerdings eine Frau ihre Büroräume bezogen hätte, die noch dazu keiner der männlichen Erwartungs- haltungen zu entsprechen vermag. Françoise Rudetzki gehört zu den behinderten Frauen der französischen Republik, die als zusammengeflicktes Terroropfer daher- kommen. Flink humpelt die 48jährige Juristin und frühere Boutiquenbesitzerin mit ihrem Krückstock des Weges, ehe sie ihr Arbeitszimmer erreicht. Die Gründerin von S.O.S.-Attentats, einer Selbsthilfeorganisation "von Opfern für Opfer" von Terroranschlägen, verkörpert die Gewalt moderner Kriegsführung.

BÜRGERKRIEGS-NEUROSEN

"Auch Terrorexplosionen in den Innenstädten sind Varianten eines Krieges, wenn auch meist mit sub- versiven Mitteln", so Françoise Rudetzki. "Insofern hat es schon eine innere Logik, dass ich hier bei den Kriegs- versehrten im Verteidigungsministerium der Republik sitze." Und das in Frankreich, einer jahrhundertalten ausrangierten Kolonialmacht, die sich in den letzten Jahrzehnten unfreiwillig zu einer Hauptzielscheibe des internationalen Dritte-Welt-Terrorismus wie der algerische fundamentalistische Islamistische Heilsfront (FIS) entwickelt hat. Wollen jene nordafrikanischen Terroristen mit fortwährenden Anschlägen die franzö- sische Politik doch geradezu zwingen, dem westlich eingestellten algerischen Regime die politische und materielle Unterstützung zu entziehen.

BOMBEN NICHTS ALS BOMBEN

Wohl in keinem anderen Land der westlichen Welt hat der Terror so rasant zugenommen und zu verständ- lichen Bürgerkriegsneurosen bei Französinnen und Franzosen geführt. Allein auf Korsika - dem franzö- sischen Nordirland - wurden im vergangenen Jahr 37 Menschen ermordet. Zudem notierten die Verwaltungen insgesamt 602 Bombenanschläge, die weit über 50 Millionen Euro Sachschäden verursachten. Seit dem Jahre 1990 explodierten exakt 3.103 Sprengsätze. "Sym- bole der Kolonialmacht" wie das Finanzamt von Bastia wurden in Schutt und Asche gelegt.

La France im Spätsommer 1995 - eine Nation gerät in Panik. Ob in Paris, Lyon, Marseille oder auch Bordeaux - überall gibt es wahllose, furchterregende Bomben-alarme, 1.374 an der Zahl. Acht Terroranschläge, teils in der Pariser Metro, teils auf verkehrsreichen Boulevards, sind bereits verübt worden. Bilanz: sieben Tote und 160 (teils Schwer-) Verletzte.

PARIS HAT ANGST

Niemals zuvor dominierten derart viele Uniformen die von Touristen bevölkerten Straßenbilder. 32.000 zusätz- liche Polizisten, etwa dreitausend Soldaten, an die neun- tausend Zöllner überwachten Flughäfen wie Bahnhöfe, Grenzen, Kernkraftwerke oder Museen, Parkverbote vor Schulen und anderen "exponierten Gebäuden". Sperr- gitter von Paris bis hinein in die abgelegensten breto- nischen Orte sollten verhindern, dass Autos vor den Schulen parken: außer dem Lehrpersonal durfte ohne- hin kein Erwachsener mehr das Schulgelände betreten. In Paris sind zirka 7.000 Abfalleimer zugeschraubt oder gleich ganz entfernt worden, damit sie nicht etwa als potenzielles Bombenversteck herhalten können. Letztlich wurde praktisch jeder im Land von einem "ge- spenstischen Klima des Terrors", so die konservative Tageszeitung "Le Figaro", erfasst, ganz gleich, ob er nun einkaufen geht und seine Tasche durchsuchen lassen muss, ob er mit der Metro fährt und sein Blick unweiger- lich kurz unter den Sitz schweift, ob er einen Bogen um die Telefonzellen und Mülltonnen schlägt, auch jede her- umstehende Plastiktüte gilt es fortwährend misstrauisch zu beäugen. "Paris hat Angst", titelte das Boulevard-Blatt "Le Parisien". Und der gaullistische Premier- minister Alain Juppé (1995-1997 ) antwortete beruhi- gend: "Frankreich wird nicht kapitulieren."

STELLVERTRETER-KRIEGE

Für Experten hingegen waren jene Attentatsserien lediglich Neuauflage von diversen politisch motivierten Terror-Aktionen mit unterschiedlichen Absichten: Paris eine Kapitale des Stellvertreterkrieges zwischen Nord und Süd, Arm und Reich, Kirchen und Moscheen. Zum ersten Mal wurde Paris in den Algerienwirren 1960 bis 1961 von gezielten Terrordetonationen erschüttert. Vor zehn Jahren versuchte der Iran mit terroristischen Mitteln auf die Nah- und Mittelostpolitik Frankreichs Einfluss zu nehmen. Seit dem Jahr 1987 hat es in Frank- reich 297 Terroranschläge gegeben. In dieser Zeit wurde S.O.S.-Attentats geboren. Diese Vereinigung von 2.220 Terroropfern, die die Gesetzgebung und damit die Ent- schädigungen in Frankreich noch maßgeblich verändern sollte, ist nicht etwa eine Schöpfung des Roten Kreuzes, auch nicht der Behörden, sondern das Werk einer da- mals von der Bombenwucht schwer verletzten 38- jährigen Einzelgängerin.

DETONATION AM HOCHZEITSTAG

Am 23. Dezember 1983 saß Françoise Rudetzki mit ihrem Mann im Pariser Restaurant "Le Grand Vélour". Beide hatten sich vorgenommen, zu ihrem zehnten Hochzeitstag festlich zu dinieren. Aber draußen explodierte eine Bombe, und eine durch den Raum fliegende Metalltür zertrümmerte ihr beide Beine. Sieben Wochen lag Françoise in Lebensgefahr, zehn Jahre blieb sie an den Rollstuhl gefesselt. Erst ganz allmählich gehorcht das rechte Bein dem Gehirn. Das linke nicht: Françoise schiebt es mit einer Viertel- drehung der Hüfte nach vorn. Sie sitzt jetzt nicht mehr im Rollstuhl. Sie steht und bewegt sich auf Krücken. Insgesamt 41 chirugische Eingriffe hat sie seit der Ex- plosion vor dem Restaurant über sich ergehen lassen müssen: über ein Jahr bleibt das Krankenhausbett ihre Hauptstütze, hat sie immer wieder eine Serie von Vollnarkosen auszuhalten. Die Ärzte meinten: "Beim nächsten Mal können wir nur eine örtliche Betäubung vornehmen. Sie müssen halt die Zähne zusammen- beißen." Françoise hat ihre Zähne heftig zusammen- gebissen: "Manche schöpfen ihre Lebenskraft im religiösen Glauben. Aber ich habe keinen. Ich hole mir meine Energie aus dem Leben und aus der Hoffnung, auf eine gerechtere Welt. Dabei hatte sie so gar keine Zeit, keinen Sinn für Wut und Tränen."

ENTSCHÄDIGUNG NICHT VORGESEHEN

Zwischenzeitlich beobachtete Françoise, wie das beschädigte Restaurant binnen drei Wochen stattlich repariert worden war. Wie selbstverständlich hatte der Besitzer eine Versicherungssumme erhalten. Eben einen Betrag, der auch noch ausreichte, um für die Neueröff-nung Werbeanzeigen zu platzieren, Sendeminuten in Funk und Fernsehen zu kaufen. Nur die Entschädi- gung von Opfern - die war in Frankreich nicht vorge- sehen.

Und Françoise weiß, wovon sie redet. "Sprechen wir", fährt sie fort, "von der jungen Sekretärin Michèle, einem Opfer in der Pariser RER-Bahn. Trotz ihrer Proteste wurde ihr blutüberströmter, halbnackter Körper von einem Passanten fotografiert. Das ist strafbar. Nur einige Tage später sah sie sich doppelseitig mit ihren Verletzungen voyeuristisch aufgeblättert in einer Illu- strierten wieder. Hilfe, gar einen Rechtsbeistand, hat Michèle bis heute nicht bekommen.

NOTFÄLLE, NOTSTÄNDE

"Sprechen wir vom Betonmischer Albert, an den Beinen seit dem Metro-Attentat schwer verletzt. Er leidet auch zusätzlich noch an Hörstörungen. Aber Albert darf nach langem Krankenhausaufenthalt nicht mehr nach Hause. Seine Wohnung in einem Hochhaus wird unentwegt von Flugzeugen überflogen. Sein Département Val de Marne kann ihm mangels Masse keine andere Wohnung an- bieten. Seiner schwangeren Frau Fabienne kann trotz der drei Millionen Arbeitslosen keine Haushaltshilfe zur Hand gehen. Ein finanzieller Haushaltszuschuss wird offiziell nicht gezahlt.

POLITIKER SIND IMMER "BETROFFEN"

Sprechen wir auch noch vom stets filmreif inszenierten Betroffenheitsgehabe des Premierministers in seinem Salon Matignon, wenn die Augen auf ihn gerichtet sind. Sonst stapeln und verstauben dort die Briefe in Säcken von Angehörigen, die um Hilfe bitten, einfach deshalb, weil sie die Beweisführung des Todes eines Verwandten beim Anschlag zu führen haben. Oder sprechen wir auch noch kurz von George und Felix. Über einen ganzen Monat lagen sie mit ihren Knochenbrüchen auf sich allein gestellt in der Orthopädie. Sie haben nicht einmal einen kurzen Besuch von Psychologen oder Psychiatern zwecks seelischer Hilfestellung bekommen. Keine Zeit hatten die Ärzte, jagten sie doch sinniger- weise von Pressekonferenz zu Fachkolloquien. Ihr Hauptthema: "psychologische Betreuung der Kriegs- neurosen von Terroropfern im Rampenlicht der Öffentlichkeit."

INVALIDENDOM

Françoise sitzt neuerdings an ihrem Schreibtisch im Arbeitszimmer des weiträumigen Invalidendoms. Über zehn Jahre diente notgedrungenerweise die beengte Privatwohnung im 8. Pariser Arrondissement als zen- trale Anlaufstelle für Attentatsopfer. Sie korrespon- dierte, informierte, überzeugte monatelang - und fast immer vergeblich. Keiner mochte die Frau im Rollstuhl ernst nehmen. Oft in den Abendstunden tütete sie mit ihrem Mann, Handelsdirektor einer Modegesellschaft, unverdrossen etwa Protestaktionen nach einer Fernseh- sendung ein. Kärrnerarbeit einer Einzelkämpferin.

KEINE RACHE - NUR HILFE

Als Françoise eines Tages den fehlenden Schadenersatz - somit die längst überfällige finanzielle Versorgung - für Terroropfer in der Sécurité sociale (BfA - Bundesver- sicherungsanstalt) rügte und ein Gesetz forderte, da hatte sie den Nerv ihrer Landsleute freigelegt. "Meine Arbeit wird fortgesetzt, solange die Not nicht gelindert und kein Ort des Zuhörens, keine psychische Hilfe geschaffen wird. Wir lehnen die Todesstrafe strikt ab. Wir wollen keine Rache. Aber wir Opfer werden es nicht zulassen, dass Frankreich dem Staatsterrorismus so schnell nachgibt. Wir sollten uns schämen", verkündete sie damals in die laufenden Kameras.

Die Republik schrieb das Jahr 1986; in Frankreich herrschte die Atmosphäre des Bombenterrors. In den darauffolgenden Tagen erreichten Françoise Rudetzki 50 Postsäcke, jeder einzelne zwanzig Kilo schwer. Und bei Jacques Chirac, seinerzeit Premierminister in Paris, gingen 500.000 Postkarten mit Unterschriften für eine Gesetzesinitiative ein. "Madame, sagen Sie mir bitte unverzüglich, was ich für S.O.S.-Attentats tun kann. Es wird geschehen", bekundete dieser geübten Blickes hingebungsvoll.

ERKÄMPFTER GARANTIEFONDS

So und nicht anders setzte Françoise Rudetzki in Frankreich ihren Garantiefonds durch, der in Haupt- zügen dem deutschen Opferentschädigungsgesetz entspricht. Damit ist Frankreich das einzige Land, das über ein eigenes Gesetz zum Schutz von Terroropfern verfügt. Es besteht im wesentlichen aus einem speziellen Versicherungsfonds, der den betroffenen Menschen und ihren Familien sämtliche durch ein Attentat erlittenen Schäden ersetzen soll. Er wird durch einen jährlichen Aufschlag von etwa 76 Cents finanziert, die jeder Franzose pro privatem Versicherungsbeitrag zahlen muss.

S.O.S. - ATTENTATS

Mittlerweile tritt Françoise Rudetzki mit ihrer Organi- sation S.O.S.-Attentats als Nebenklägerin in über 200 gerichtlichen Terrorverfahren des Landes auf. Alle vierzehn Tage steht S.O.S.-Attentats in den Amtsstuben von Richtern und Staatsanwälten der grössten Prozesse. So soll verhindert werden, dass sich die Justiz wieder zum Faustpfand der Politik machen lässt, aus Gründen der Zweckmäßigkeit Terroristen in ihre Heimatländer - in die Freiheit - abgeschoben werden. Systematisch hat Françoise Rudetzki ein Netzwerk aus Rechtsanwälten und Ärzten geflochten. "Nur unsere Wachsamkeit schützt uns vor Mauscheleien. Irgendwie haben wir in Frankreich im Laufe der letzten Jahre verdrängt, dass wir doch ein durch und durch verkappt romantisches Land mit einer ganz gehörigen Portion Machismo sind. Wir müssen im Gericht Worte der Opfer wieder lauter werden lassen. Terroristen haben kein ausschließliches Erklärungsmonopol. So verquer sind die Zeiten."

Das Telefon klingelt. Am anderen Ende der Leitung erkundigt sich Justizminister Jacques Toubon (1995-1997) nach ihrem Wohlbefinden. "Wir müssen endlich die juristischen Grenzen in Europa abschaffen", sagt Francoise ihm an diesem Abend. "Denn ein potenzieller Täter sollte zwingend in einem Land vor Gericht gestellt werden, in dem er gefasst wird. Die Auslieferungs- verfahren verschleppen Prozesse und dünnen Anklagen aus. Somit gerät Gerechtigkeit immer noch zum x-beliebigen Spielball europäischer Interessenpolitik. Dieses muss ein Ende haben. Warum entkommen die Terroristen der Rechtssprechung in Europa immer noch?" fragt sie Jacques Toubon, - Eine höchst berechtigte Frage, befindet der Justizminister. Darauf Francoise Rudetzki: "Monsieur, auf, auf nach Brüssel."

Freitag, 23. Februar 1996

S.O.S. - Attentats:Pas de temps la colère et les larmes







Elle fêtait avec son mari dans un restaurant parisien leur anniversaire de mariage, quand une bombe et lui détruisit les jambes. Dans un climat de terreur et de psychose, elle arracha, avec son organisation S.O.S. Attentats, des lois pour les victimes. La vie de Françoise Rudetzki ou l'histoire d'une femme extraordinaire.
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Frankfurter Rundschau
23. Fevrier 1996
de Reimar Oltmanns
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A première vue , l'esplanade en briques devant le Dôme des Invalides pousse au recueillement. Non seulement l'histoire de toutes les batailles militaires de la République jusqu'en 1945 trouva dans cette décoration délibérément baroque son berceau. Mais l'intérieur héberge aussi le monument national des Français : le tombeau de Napoléon ainsi que celui d'autres personnages qui se sont illustrés au cours des guerres. Jour après jour, minutes de silence, les pas mesurés de messieurs pour la plupart aux allures militaires.
HANDICAPÉES DE LA RÉPUBLIQUE
S'il n'y avait pas depuis peu dans le "Corridor de Metz", sous les arcades, une femme qui y avait installé ses bureaux, une femme atypique pour ces messieurs. Françoise Rudetzki fait partie des handicapées de la République française, des femmes aux multiples cicatrices, victimes du terrorisme. Cette juriste de 48 ans, auparavant propriétaire d'une boutique, regagne son bureau en boitant, appuyée sur ses béquilles. La fondatrice de S.O.S.-Attentats,un organisme de défense "des victimes par les victimes " d'attentats terroristes, est le témoin vivant des nouvelles formes que prend la guerre.
PSYCHOSE D'UNE GUERRE CIVIL
"les explosions dûes aux terroristes dans les centres villes sont des variantes d'une guerre, même si c'est pour la plupart avec des moyens subversifs", dit Françoise Rudetzki. "Il est donc logique que j'aie mon bureau ici parmi les victimes de la guerre,au Ministère de la Défense ". Et ceci dans une France qui fut pendant des siècles une puissance coloniale et qui s'avère être involontairement, au cours des dernières décennies, la cible principale du terrorisme international venu du Tiers-Monde comme le Front Islamique du Salut ( le FIS algérien). Ces terroristes algériens voulant avec leurs attentats répétés, contraindre la politique française à renoncer à accorder toute aide politique et matérielle au régime algérien pro-occidental.
Dans aucun autre pays du monde occidental . Le terrorisme ne s'est accru d'une façon aussi rapide et n'a conduit les Françaises et les Français - ce que l'on peut d'ailleurs comprendre - à la psychose d'une guerre civile. Rien qu'en Corse - l'Irlande du Nord française - 37 personnes ont été assassinées l'année dernière, les autorités ont dénombré en tout 602 explosions de bombes qui firent plus de 50 millions d'euros de dégâts. Depuis 1990 on a noté exactement 3103 explosions. "Des symboles de la puissance coloniale" ,comme l'hôtel des impôts de Bastia , ont été réduits en cendres .
PRISE DE PANIQUE
La France à la fin de l'été 1995 - une nation est prise de panique - que ce soit à Paris, Lyon, Marseille ou Bordeaux, partout, il y eut 1.374 alertes à la bombe, semant la terreur dans différents endroits. Huit attentats terroristes ont déjà été perpétrés , en partie dans le métro parisien, en partie sur des boulevards très fréquentés. Bilan: sept morts et 160 blessés, en partie gravement.
PARIS A PEUR
Jamais jusqu'à présent,on n'avait vu autant d'uniformes dans les rues remplies de touristes : 32.000 policiers supplémentaires, environs 3.000 soldats, près de 9.000 douaniers surveillèrent les aéroports,les gares, les frontières, les centrales nucléaires ou les musées, interdiction de stationner devant les écoles ou d'autres "lieux sensibles ". De Paris au plus petit village retiré de Bretagne, des barrières devaient empêcher que des voitures ne stationnent devant les écoles; l'accès à l'enceinte de l'école étant autorisé au seul personnel . Environs 7.000 poubelles ont été fixés ou même carrément enlevées pour éviter qu'elles ne soient des cachettes potentielles de bombes. Finalement c'est pratiquement chacun qui dans le pays a ressenti "ce climat cauchemardesque de la terreur ", selon la formule du quotidien conservateur "Le Figaro":que l'on aille faire ses courses et soit obligé de soumettre le contenu de son sac à un contrôle ou que l'on prenne le métro et ne puisse s'empêcher de jeter un regard furtif sous le siège, que l'on fasse un écart en passant devant une cabine téléphonique ou une poubelle, il est aussi demandé de méfier de tout sac plastique qui traîne. "Paris a peur ",titrait le journal "Le Parisien". Et le Premier Ministre gaulliste Alain Juppé de répondre "La France ne capitulera pas".
2.200 VICTIMES DU TERRORISME
Pour les experts, par contre, ces attentats en série étaient uniquement la réédition de diverses actions terroristes d'origine politique avec des objectifs différents :Paris une capitale de la guerre par intérim entre le Nord et le Sud, riches et pauvres,églises et mosquées. La première fois où Paris fut ébranlé par des détonations d'actions terroristes ciblées, ce fut au cours des années mouvementées de la Guerre d'Algérie ,dans les années 1960-61 . Il y a dix ans, l'Iran essaya, avec des moyens terroristes, d'exercer une influence sur la politique française au Proche -et Moyen -Orient. Depuis 1987, il y a eu en France 297 attentas terroristes. C'est à cette époque que fut créé S.O.S.-Attentats. Réunir dans une organisation 2.220 victimes du terrorisme et amener à un changement important de la législation et par conséquent de l'indemnisation des victimes , n'est pas l'oeuvre de la Croix-Rouge,pas non plus des autorités mais c'est l'oeuvre d'une seule personne,une femme qui fut, à l'âge de 38 ans. gravement blessée par la puissance d'une bombe.
UNE BOMBE - ANNIVERSAIRE DE MARIAGE
Le 23 décembre 1983 , Françoise Rudetzki était avec son mari dans le restaurant parisien "Les Grand Velour ". Tous deux avaient l'intention de fêter leur dixième anniversaire de mariage. Mais une bombe explosa dehors et une porte de métal traversa la salle et lui déchiqeta les deux jambes. Elle fut pendant 7 semaines entre la vie et la mort, elle resta 10 ans clouée dans son fauteuil roulant. Ce n'est que progressivement que la jambe droite obéit au cerveau, pas la gauche :Françoise l'avance en faisant faire une rotation d'un quart de tour à sa hanche. Maintenant elle n'est plus dans son fauteuil roulant. Elle se tient debout et se déplace grâce à ses béquilles. Il lui a fallu subir en tout 41 interventions chirurgicales depuis l'explosion devant le restaurant: pendant plus d'un an elle n'a eu que le lit d'hôpital comme support, elle dut subir de nombreuses anesthésies générales. Les médecins lui dirent un jour: "La prochaine fois,nous ne pourrons faire qu'une anesthésie locale, vous allez devoir serrer les dents". Françoise a serré les dents. " Certains puisent leur force de vivre dans la croyance religieuse.Mais je ne l'ai pas.Je puise mon énergie dans la vie et dans l'espoir d'un monde plus juste": D'autre part, elle n'avait pas de temps pour la colère et les larmes, cela ne lui venait pas à l'idée.
TOUCHÉ SON ASSURANCE
Pendant ce temps, Françoise vit que le restaurant endommagé avait été magnifiquement rénové en trois semaines. Comme de bien entendu,le propriétaire avait touché une somme de son assurance. Un montant qui permettait aussi de financer une campagne d'affichage annonçant la réouverture, ainsi que des spots à la radio et la télévision. mais l'indemnisation des victimes : elle n'était pas prévue en France.
Et Françoise sait ce dont elle parle : "Parlons", dit-elle "de la jeune secrétaire Michèle, une victime dans le RER parisien. Malgré ses protestations,un passant photographia son corps à moitié dénudé et couvert de sang. C'est un délit. Mais quelques jours plus tard elle se vit, avec ses blessures sur deux pages d'un illustré. De l'aide,un soutien juridique,jusqu'à présent, Michèle n'en a pas eu."
"Parlons du maçon Albert, grièvement blessé aux deux jambes lors de l'attentat dans le métro. Il souffre de plus de troubles auditifs. Mais Albert ne put, à l'issue d'un long séjour à l'hôpital, rentrer chez lui.Son appartement dans un immeuble est sans cesse survolé par des avions. Le département du Val de Marne ne peut lui offrir d'autre appartement. Malgré les trois millions de chômeurs, sa femme Fabienne enceinte, ne bénéficie pas d'aide à domicile. Le versement d'une aide financière n'est officiellement pas prévu.
... TOUJOURS LEUR "EMOTION"
Parlons aussi de la stature de la personne compatissante , digne d'un film, prise par le Premier Ministre dans ses salons de Matignon quand les regards se posent sur lui. Mais par contre les lettres de proches des victimes qui demandent de l'aide s'entassent dans des sacs poussiéreux pour la simple raison qu'ils doivent prouver le décès d'un proche lors de l'attentat.
Ou bien parlons brièvement de Georges et de Félix. Ils sont restés plus d'un mois avec leurs fractures dans des services d'orthopédie. Ils n'ont même pas eu la brève visite d'un psychologue ou d'un psychiatre qui leur auraient apporté une aide psychologique. Les médecins n'avaient pas le temps, ils allaeint porter leurs réflexions de conférences de presse en colloques. Leur thème principal "le suivi psychologique des névroses de la guerre chez les victimes du terrorisme placées sous les feux de l'actualité".
Françoise est depuis peu assise à la table de son bureau situé sous le Dôme des Invalides. Pendant plus de dix ans,le petit appartement dans le 8e arrondissement a servi , par nécessité , de point d'accueil pour les victimes d'attentats. Elle envoyait des courriers,informait,voulait convaincre, ceci pendant des mois et presque toujours en vain. Souvent le soir, avec l'aide de son mari directeur commercial d'une société de mode, infatiguable elle mettait sous pli par exemple des appels à des actions après des émissions de télévision. Travail acharné d'une femme franc-tireur
DE L'ARGENT POUR TOUT - PAS POUR LES VICTIMES
Lorsque Françoise un jour dénonça l'absence de versement aux victimes de dommages et intérêts , donc d'une aide financière par la Sécurité Sociale et exigea une loi, elle toucha le point sensible de ses compatriotes. "Je continuerai mon travail tant que l'on n'aura pas soulagé la douleur , créé un lieu d'ecoute, apporté une aide psychologique. Nous ne voulons pas de vengeance. Mais , nous les victimes,nous n'accepterons pas que la France cède si vite au terrorisme d'état. Nous devrions avoir honte.", déclara-t-elle devant les caméras.
C'était l'année 1986, en France régnait un climat de terreur devant les bombes. Les jours suivants, Françoise Rudetzki reçut 50 sacs postaux, chacun pesant 20 kilos. Et Jacques Chirac, à l'époque Premier Ministre , reçut à Paris 500 000 cartes revendiquant une initiative législative."Madame, faites-moi savoir sans délai ce que je peux faire pour S.O.S.-Attentats. Et ce sera fait", annonça-t-il avec un regard plein de compassion.
UN FONDS DE GARANTIE
C'est ainsi et pas autrement que Françoise Rudetzki a imposé en France son fonds de garantie qui corrrespond dans ses grandes lignes à la loi allemande d'indemnisation des victimes. La France est ainsi le seul pays à disposer de sa propre loi de protection des victimes du terrorisme. Cette loi se compose pour l'essentiel d'un fonds spécial d'assurance qui doit couvrir, pour la personne concernée et sa famille, l'ensemble des dommages occasionnés par un attentat. Ce fonds est financé par une augmentation d'à peu près 76 centimes de la cotisation de chaque Français à une assurance complémentaire.
CABINETS DE JUGES
Depuis, Françoise Rudetzki intervient avec son organisation S.O.S.-Attentats comme partie civile dans plus de 200 procès pour actes de terrorisme. Tous les 15 jours, S.O.S.-Attentats est dans les cabinets de juges et de procureurs des plus grands procès. Cela doit permettre d'éviter que la justice ne se retrouve à nouveau gage de la politique, que pour des raisons d'opportunité, des terroristes soient expulsés dans leur pays d'origine- donc mis en liberté. Françoise Rudetzki a systématiquement tissé un réseau d'avocats et de médecins. "Seule notre vigilance nous protège de tout marchandage. Nous avons en France d'une certaine façon occulté au cours des dernières années que nous étions un pays au romantisme entièrement caché avec une grande partie de machisme. Il nous faut au tribunal faire entendre à nouveau la parole des victimes. Finalement, les terroristes n'ont pas le monopole de l'argumentation. Que notre époque est obtue."
Le téléphone sonne, à l'autre bout du fil, le Ministre de la Justice, Jacques Toubon, (1995-1997) prend de ses nouvelles. "Il nous faut enfin supprimer les frontières juridiques en Europe", lui dit Françoise Rudetzki ce soir-là "Car un coupable devrait être obligé de comparaître devant le tribunal du pays où il est arrêté. Les procédures d'extradition repoussent la date du procès et atténuent ainsi les chefs d'accusation. C'est ainsi que la justice devient n'importe quel jouet des intérêts politiques en Europe. Il faut mettre fin à cela. Pourquoi les terroristes continuent-t-ils à échapper à la juridiction européenne ?", demanda-t-elle à Jacques Toubon. Le Ministre de la Justice trouva que c'était une question tout à fait pertinente. Ce à quoi Françoise Rudetzki répondit: "Monsieur, allez -y! allez à Bruxelles".