"Welt der Arbeit", Düsseldorf
13. Januar 1983
von Gero Gemballa
Heimatkunde - das riecht nach Muff, Katheder und Zeigefinger. In einer Sammlung von 16 Reportagen wird der Holzwurm beladene Begriff neu definiert und Aussiedlerträume wie Soldatensuff, Zivildienstnot, Turnschuhkonkurrenz, Arbeits- und Hoffnungslosigkeit, Nazi-Religion und Premierenrummel zum Deutschland-Thema gemacht.
Dass Reportagen zwischen zwei Buchdeckel gebunden werden, ist selten genug. Der ehemalige Redakteur bei stern und Frankfurter Rundschau, Reimar Oltmanns, 33, hat es geschafft. Der Frankfurter Verlag mit der Fliege hat seine hintergründigen Deutschland-Bilder gedruckt und als "Heimatkunde-Buch" aus den aktuellen und kurzlebigen Zeitungsseiten herausgehoben.
Das lohnte sich, denn Reimar Oltmanns beschreibt unbekanntes Alltägliches mit kritischer Optik; wie, die zwei Turnschuhbrüder, die im Streit zwischen Puma-Emblem und adidas-Streifen das Städtchen Herzogenaurach in zwei Teile zer-schnitten haben.
Ob Bundesgrenzschutz oder Bundeswehr, Stadtmoloch Frankfurt oder braune Wärter in der psychiatrischen Anstalt, Oltmanns zeigt wie und wo es in Deutschland (auch) ist, und dass das öffentlich wie schulisch geschminkte Heimatkunde-Gesicht in Deutschland Ost wie West manch zugekleisterte Falte hat.
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