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Pressenet
vom 5. März 2011
von Reimar Oltmanns
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Aufstieg und Krise der französischen Chansonnière Patricia Kaas / Als Aschenputtel im Pariser Schlager-Milieu begonnen / Lothringen, Lolita und Lili Marleen lassen grüßen / Weltweit Erfolge - "Ein Traum", der nicht enden soll / Der Blues als Liebesschwur zur geklonten Tiefkühl-Erotik dieser Epoche
Da steht sie nun wieder auf der Bühne - die weit über 40jährige Patricia Kaas, diese ewig scheinbar legendäre "Mademoiselle chante le Blues" vor 660 Bankern und Managern im obligaten Nadelstreif. Ein Jubiläum - die 150-Jahr-Feier der Crédit Suisse - in der Bankenmetropole in Zürich gilt es in der Stadthalle zu feiern. Und sie, ausgerechnet sie, die Französin Patricia Kaas, wurde dafür ausgewählt, mit betörenden Liedern älteren, ergrauten Herren der Schweizer Wirtschafts- und Politprominenz rockige Rhythmen und ein bisschen Sex-Appeal einzuhauchen.
Zerbrechlich sieht Patricia Kaas aus, knabenhaft wirkt sie im hautengen schwarzen Mini-Kleid, scheu schaut sie aus ihrem spitzen, aschfahlen Porzellan-Puppen-Gesicht, wenn da nur nicht ihre verruchte Stimme von gewaltigem Format wäre. Atemlose Stille begleitet sie, die Band schweigt, sie scheint mit dem Lied "Lili Marleen" allein zu sein; ein bisschen lasziv, ein wenig kindlich, sorglos und treuherzig allemal.
Wenn sie Edith Piaf "La vie en rose" ins Mikrophon flüstert, sind die langen Jahre verflogen, die vergangen sind zwischen gestern und heute. Nonstop singt Patricia Kaas da fast zwei Stunden lang aus ganzen Leibeskräften. Sie zittert, bebt, schreit, kokettiert, animiert, ziert sich, mimt Lolita und den Vamp, die Klagende, den Clown, die Verletzende. Und mit ihrem Chanson "Je te dis vous" liefert sie sich in ihrer intimen Zerbrechlichkeit aus. Seelenstriptease genannt.
Nichts - so will es scheinen - war für das Mädchen aus der Deutsch sprechenden Grenzregion einer kinderreichen Bergmannsfamilie in Lothringen erfolgreicher als der Erfolg. Sieben Mal wähnte sich Patricia Kaas bisher auf Welttournee. Allein bei ihrer letzten Erdumkreisung spielte sie zwischen Mai 2004 bis Oktober 2005 in insgesamt 175 Konzerten in 25 Ländern vor mehr als 750.000 Zuschauern. Ihren größten Erfolg hatte sie im Jahre 1993 mit ihrem dritten Album "Je te dis vous". Zweimal erhielt sie den World Music Award für die beste französische Künstlerin der Jahre 1991 und 1995. Patricia über ihr Erfolgsgeheimnis: "Meine Freunde sagen mir immer: Wenn du auf der Bühne stehst, bist du so charismatisch und stark, aber in manchen Momenten auch verspielt und kokett wie ein kleines Mädchen. Das ist jedoch keine Pose, die ich aufsetze. Ich habe eben eine verspielte, aber auch sentimentale Seite."
Da war nämlich die Armut - ein Aschenputtel-Dasein mit sechs Geschwistern; die Mutter, die zum ersten Mal in ihrem Leben mit Tochter Patricia zum Vorsingen nach Paris fuhr und ihr immer wieder einflößte: "Du musst singen und kämpfen, mein Kind." So hockte sie schon als 13jährige Schülerin für ihre ersten Kaschemmen-Auftritte in der heimatlichen "Rumpelkammer" vor dem Badezimmerspiegel, zog sich rote Lidschatten über ihre Samtkatzenaugen; das Gesicht in Dietrich-Pose überlebensgroß in der Nahaufnahme Lili Marleen nachahmend.
Der Vorhang fällt. Seltsam knirscht es in solchen Momenten, wenn Patricia Kaas sich allein wähnt. Diese Kaas, die soeben mit Vehemenz unnachahmlich der Banken- und Finanzwelt eine Glitzer-Fassade präsentierte - diese Chanson-Sängerin Patricia Kaas gibt es in Wirklichkeit nicht mehr; ein Abziehbild verflossener Jahre. Krisen-Jahre. Trist schaut der "kleine Diamant" (Alain Delon) drein. Wenn es nach ihrem Songmanager Robin Millar in London gegangen wäre, sollte aus dem "Rohmaterial Patricia Kaas" ein Weltstar in englischer Sprache geschliffen werden. Der weltweit agierende Musikmacher hatte ihr schon verdeutlicht, dass sie einen Teil ihres französischen Publikums abgeschreiben müsse. "O.K", sagte sie da, "Freunde in meinem Alter habe ich sowieso keine gehabt. Dazu fehlte immer die Zeit. Ich hatte ja immer nur mit Menschen zu tun, die weitaus älter waren als ich." - Abschiedsstimmung.
Nur angekommen im anglophonen Entertainment dieser Jahre ist Patricia Kaas auch nicht. Misserfolge wie Flops endeten in Karriere-Knicken dieser einst so umschwärmten Französin mit ihrem unwiderstehlichen Temperament. Mitte der neunziger Jahre wurde das Album "Café noire", genannt "Black Coffee", aufgezeichnet. Dabei handelt es sich um ein 1995 in New York eigens für den amerikanischen Markt arrangiertes Werk mit englischen Texten. Es kam nie in den Handel. Mit ihrem Weggang aus Frankreich, ihrer Abkehr von der französischen Sprache, hatte sich Patricia Kaas zwischen zwei Sprachkulturen gesetzt. Heimatlos.
Patricia Kaas gesteht: "Mit meinem Aufbruch nach Amerika habe ich viele Freunde von früher verloren. Er hat mich ein bisschen einsam gemacht. Auch wenn ich neue, sympathische Menschen treffe, weiß man nie, ist es Patricia Kaas, die Sängerin, die sie ansprechen, oder bin ich wirklich ich, Patricia, gemeint?" Das wusste sie offenkundig auch nicht so recht, als sie im Pariser Edel-Restaurant "Le Meurice" mit dem Koch Yannick Alleno, dem Held des Herdfeuers, eine Amour foux abbrannte. Sie zog nach Zürich, wollte vor der "Schickimickisierung" flüchten. Um wenige Jahre später Schweizer Journalisten zu berichten, dass sie sich von ihrer "neuen Liebe", einem neureichen Schweizer Automobilhändler mit der Begründung getrennt habe: "Seine Eifersucht macht mich rasend." Liebesgeschichten über Liebesgeschichten, Enttäuschungen über Enttäuschungen. Und Patricia singt: "Männer, die vorrüberziehen, Mama" ("Les hommes qui passent. Maman").
Und heute? Eine kreative Pause hat sie sich verordnet, um sich und ihre neuen Lieder zu finden, an alte Erfolge anknüpfen zu können. Krisen-Momente. Sie sagt: "Mein Gott ja, all diese Frauen, die am Ende so alleine sind, furchtbar. Wenn man eine Frau ist, verlangt man vielleicht zu viel von sich selbst. Man muss immer hübsch sein, darf keine Falten haben oder müde ansschauen. Und dann noch einen Mann, der sagt, 'Gib alles für mich auf'. - Nein und nochmals nein. Das Glück kennt nur Minuten."
Nur die französischen Chansons der Patricia Kaas aus ihren frühen Jahren sind für sie ein Traum, den sie leben will, und der nicht enden soll. Nicht nur für sie.
Da steht sie nun wieder auf der Bühne - die weit über 40jährige Patricia Kaas, diese ewig scheinbar legendäre "Mademoiselle chante le Blues" vor 660 Bankern und Managern im obligaten Nadelstreif. Ein Jubiläum - die 150-Jahr-Feier der Crédit Suisse - in der Bankenmetropole in Zürich gilt es in der Stadthalle zu feiern. Und sie, ausgerechnet sie, die Französin Patricia Kaas, wurde dafür ausgewählt, mit betörenden Liedern älteren, ergrauten Herren der Schweizer Wirtschafts- und Politprominenz rockige Rhythmen und ein bisschen Sex-Appeal einzuhauchen.
Zerbrechlich sieht Patricia Kaas aus, knabenhaft wirkt sie im hautengen schwarzen Mini-Kleid, scheu schaut sie aus ihrem spitzen, aschfahlen Porzellan-Puppen-Gesicht, wenn da nur nicht ihre verruchte Stimme von gewaltigem Format wäre. Atemlose Stille begleitet sie, die Band schweigt, sie scheint mit dem Lied "Lili Marleen" allein zu sein; ein bisschen lasziv, ein wenig kindlich, sorglos und treuherzig allemal.
Wenn sie Edith Piaf "La vie en rose" ins Mikrophon flüstert, sind die langen Jahre verflogen, die vergangen sind zwischen gestern und heute. Nonstop singt Patricia Kaas da fast zwei Stunden lang aus ganzen Leibeskräften. Sie zittert, bebt, schreit, kokettiert, animiert, ziert sich, mimt Lolita und den Vamp, die Klagende, den Clown, die Verletzende. Und mit ihrem Chanson "Je te dis vous" liefert sie sich in ihrer intimen Zerbrechlichkeit aus. Seelenstriptease genannt.
Nichts - so will es scheinen - war für das Mädchen aus der Deutsch sprechenden Grenzregion einer kinderreichen Bergmannsfamilie in Lothringen erfolgreicher als der Erfolg. Sieben Mal wähnte sich Patricia Kaas bisher auf Welttournee. Allein bei ihrer letzten Erdumkreisung spielte sie zwischen Mai 2004 bis Oktober 2005 in insgesamt 175 Konzerten in 25 Ländern vor mehr als 750.000 Zuschauern. Ihren größten Erfolg hatte sie im Jahre 1993 mit ihrem dritten Album "Je te dis vous". Zweimal erhielt sie den World Music Award für die beste französische Künstlerin der Jahre 1991 und 1995. Patricia über ihr Erfolgsgeheimnis: "Meine Freunde sagen mir immer: Wenn du auf der Bühne stehst, bist du so charismatisch und stark, aber in manchen Momenten auch verspielt und kokett wie ein kleines Mädchen. Das ist jedoch keine Pose, die ich aufsetze. Ich habe eben eine verspielte, aber auch sentimentale Seite."
Da war nämlich die Armut - ein Aschenputtel-Dasein mit sechs Geschwistern; die Mutter, die zum ersten Mal in ihrem Leben mit Tochter Patricia zum Vorsingen nach Paris fuhr und ihr immer wieder einflößte: "Du musst singen und kämpfen, mein Kind." So hockte sie schon als 13jährige Schülerin für ihre ersten Kaschemmen-Auftritte in der heimatlichen "Rumpelkammer" vor dem Badezimmerspiegel, zog sich rote Lidschatten über ihre Samtkatzenaugen; das Gesicht in Dietrich-Pose überlebensgroß in der Nahaufnahme Lili Marleen nachahmend.
Der Vorhang fällt. Seltsam knirscht es in solchen Momenten, wenn Patricia Kaas sich allein wähnt. Diese Kaas, die soeben mit Vehemenz unnachahmlich der Banken- und Finanzwelt eine Glitzer-Fassade präsentierte - diese Chanson-Sängerin Patricia Kaas gibt es in Wirklichkeit nicht mehr; ein Abziehbild verflossener Jahre. Krisen-Jahre. Trist schaut der "kleine Diamant" (Alain Delon) drein. Wenn es nach ihrem Songmanager Robin Millar in London gegangen wäre, sollte aus dem "Rohmaterial Patricia Kaas" ein Weltstar in englischer Sprache geschliffen werden. Der weltweit agierende Musikmacher hatte ihr schon verdeutlicht, dass sie einen Teil ihres französischen Publikums abgeschreiben müsse. "O.K", sagte sie da, "Freunde in meinem Alter habe ich sowieso keine gehabt. Dazu fehlte immer die Zeit. Ich hatte ja immer nur mit Menschen zu tun, die weitaus älter waren als ich." - Abschiedsstimmung.
Nur angekommen im anglophonen Entertainment dieser Jahre ist Patricia Kaas auch nicht. Misserfolge wie Flops endeten in Karriere-Knicken dieser einst so umschwärmten Französin mit ihrem unwiderstehlichen Temperament. Mitte der neunziger Jahre wurde das Album "Café noire", genannt "Black Coffee", aufgezeichnet. Dabei handelt es sich um ein 1995 in New York eigens für den amerikanischen Markt arrangiertes Werk mit englischen Texten. Es kam nie in den Handel. Mit ihrem Weggang aus Frankreich, ihrer Abkehr von der französischen Sprache, hatte sich Patricia Kaas zwischen zwei Sprachkulturen gesetzt. Heimatlos.
Patricia Kaas gesteht: "Mit meinem Aufbruch nach Amerika habe ich viele Freunde von früher verloren. Er hat mich ein bisschen einsam gemacht. Auch wenn ich neue, sympathische Menschen treffe, weiß man nie, ist es Patricia Kaas, die Sängerin, die sie ansprechen, oder bin ich wirklich ich, Patricia, gemeint?" Das wusste sie offenkundig auch nicht so recht, als sie im Pariser Edel-Restaurant "Le Meurice" mit dem Koch Yannick Alleno, dem Held des Herdfeuers, eine Amour foux abbrannte. Sie zog nach Zürich, wollte vor der "Schickimickisierung" flüchten. Um wenige Jahre später Schweizer Journalisten zu berichten, dass sie sich von ihrer "neuen Liebe", einem neureichen Schweizer Automobilhändler mit der Begründung getrennt habe: "Seine Eifersucht macht mich rasend." Liebesgeschichten über Liebesgeschichten, Enttäuschungen über Enttäuschungen. Und Patricia singt: "Männer, die vorrüberziehen, Mama" ("Les hommes qui passent. Maman").
Und heute? Eine kreative Pause hat sie sich verordnet, um sich und ihre neuen Lieder zu finden, an alte Erfolge anknüpfen zu können. Krisen-Momente. Sie sagt: "Mein Gott ja, all diese Frauen, die am Ende so alleine sind, furchtbar. Wenn man eine Frau ist, verlangt man vielleicht zu viel von sich selbst. Man muss immer hübsch sein, darf keine Falten haben oder müde ansschauen. Und dann noch einen Mann, der sagt, 'Gib alles für mich auf'. - Nein und nochmals nein. Das Glück kennt nur Minuten."
Nur die französischen Chansons der Patricia Kaas aus ihren frühen Jahren sind für sie ein Traum, den sie leben will, und der nicht enden soll. Nicht nur für sie.
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