Süddeutsche Zeitung
vom 07. Juni 2003
von Hans Leyendecker
Eigentlich war das einer jener Tage, die Jürgen W. Möllemann (*1945+2003) früher so liebte. In aller Herrgottsfrühe, um fünf Uhr, fuhr ein Team von ZDF vor seinem Haus vor. Dann kamen immer mehr Reporter. Große Wagen mit riesigen Fernsehschüsseln parkten in Reihe. Alles nur wegen ihm. Die Meute wollte dabei sein, wen der ehemalige Vizekanzler heimgesucht wird.
Für große Auftritte hat der Mann, der 57 Jahre alt wurde, immer en Faible gehabt. Sie verschaffen ihm den Kick, wie dem Junkie die Spritze. "Wichtigkeitsdrogen " hat Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (1998-2005) einmal Fernsehauftritte genannt. Als Möllemann Donnerstagmittag tot im Feld lag, klingelte in seiner Wohnung das Telefon Sturm. Erst ging die Haushälterin dran, dann der Münsteraner Oberstaatsanwalt Heinrich Steinert. Am Apparat waren die Presseleute, die unbedingt Möllemann sprechen wollten - er war doch stets zu sprechen gewesen.
Wenn heute Experten über Inszenierung in der Politik reden, dann muss sein Name genannt werden. Möllemann war ein Meister der Inszenierung - verglichen mit IHM wirkte Guido Westerwelle im 'Big-Brother-Container' lächerlich und Rudolf Scharping mit Lebensgefährtin am Pool von Mallorca sah reichlich verklemmt aus. Die Frage: - "Wie war ich?" - hat Möllemann schon gestellt, als die anderen noch schliefen. Wahrgenommen werden war für ihn Sein.
Als junger Abgeordneter hörte er morgens um sechs Uhr die Nachrichten und wenn nichts los war, meldete er sich bei einer Nachrichten-Agentur. "Hier Möllemann, guten Morgen. Ich habe wieder was auf der Pfanne." Den Text der Pressemeldung hat er dem Redakteur in den Block diktiert und seine Sekretärin musste nach seinen Auftritten im Fernsehen sofort die Einschaltquoten feststellen. Einen der typischen Möllemann-Sätze hat Reimar Oltmanns in seinem Buch "Möllemänner oder die opportunistischen Liberalen" festgehalten: "Da liegen doch die Politiker noch faul mit dem Arsch im Bett, dann muss ich schnell für die FDP eine Stellungnahme abgeben, aber nicht 08/15. Meine Kollegen machen um sieben oder acht Uhr das Radio an, und schon hören sie wieder den Möllemann." Er hat aus langweiligen Nachrichten interessant erscheinende Meldungen gemacht, er wusste früh, was man den Medien verhökern konnte.
An PR-Ideen hat es ihn nie gemangelt. An einer Münchner Verlagsgesellschaft war Möllemann in den achtziger Jahren mit 39 Prozent beteiligt. Die Firma hatte sich die Titelrechte an der Zeitschrfit Twen (1959-1971) gesichert. Möllemanns Agentur mit dem schönen Namen "PR + Text" übernahm die redaktionelle Betreuung. Alles Geschichte, perdu, vorbei: Aus dem Twen-Projekt ist nichts geworden und der Verlag musste Konkurs anmelden. Später beriet er über seine Firma WebTec - gegen hohe Beträge - den Münchner Medienunternehmer Leo Kirch.
In dem Geleitwort zu einem arabischen Branchenverzeichnis schrieb Möllemann, der Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft (1993-2003) war, den Satz: Vielseitiger Handel werde "auf Dauer nur dann erfolgreich sein können, wenn er vom gegenseitigen Geben und Nehmen bestimmt wird." So hat er es auch mit Journalisten gehalten. Es wäre, als Möllemann im Bonner Bundeskabinett saß, nicht übertrieben gewesen, wenn ihn der Spiegel im Impressum als Mitarbeiter aufgeführt hätte - einen besseren Informanten findest Du nie. Schade, dass der gelernte Lehrer nicht Kurzschrift beherrschte. Sonst hätte er alles mitgeschrieben. Andererseits hat er vom Spiegel viel Schläge bekommen und das hat ihn von der Treue zu einigen Mitarbeitern des Blattes nicht abhalten können.
Er war ein Spieler. Es warf ein Licht auf die anderen im Parlament, dass sie ihn am Ende noch schlechter als den letzten Hinterbänkler behandelten. Er saß in der allerletzten Reihe. Bei Sabine Christiansen am vergangenen Sonntag ist er noch mal auf der Bühne aufgetreten. Er war nicht toll, und er hat den Satz gesagt: "Wenn man einen Punkt erreicht hat, an dem es nicht mehr geht, muss man sich auch verabschieden können und über Neues nachdenken." Aber die Quote konnte sich sehen lassen: 4,54 Millionen Zuschauer, Marktanteil 19,2 Prozent. Darauf kam es ihm letztlich am meisten an.
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