Montag, 28. September 2009

Matriarchat in Deutschland: "Mutter, was hast du aus mir gemacht?" - Bilanz der vaterlosen Gesellschaft. Ein Leben lang in Therapie. Spurensuche

Leidensprozesse im Matriarchat der Nachkriegszeit: Intentionen von Alexander Mitscherlich (*1908+1982) in seinem Werk "Auf den Weg zur vaterlosen Gesellschaft" vorgelebt und durchlitten. Möglicherweise sollte nicht der Autor, sondern die Psychoanalyse selbst therapiert werden. --------------------------------------------------------------------------
------------------------------------------------------------------- Aus den Krallen der Mutter zu trinkfesten Männer-Gesellschaften der FDP in den Sechzigern geflüchtet. In den "wilden Jahren" bei den Liberalen als Kandidat und auf Parteitagen auf den Putz gehauen; vergeblich auf Parteikarriere gehofft. Mutter schenkte ihrem Sohnemann 1963 eine Schallplatte der dänischen Schlagersängerin Gitte Henning: "Ich will nen Cowboy als Mann - nimm doch gleich den von nebenan, denn der ist bei der Bundesbahn." Filius wurde Sachbearbeiter bei der Landwirtschaftlichen Berufsgenossen- schaft.

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Narzissmus verflossener Epochen - nichts ist aufregender als nostalgisch verklärt in jenen Mama- Jahren der Nachkriegszeit zu wühlen. Der Autor bei einer Lesung: "Meine Mutter hatte sich auf das Sofa gelegt. 'Mein Herz, mein Herz es schlägt immer ... unregelmäßiger.' - Ihre Augen traten hervor. 'Ich kann nicht mehr' . Die Sonne hatte zwischenzeitlich ihren Höchststand überschritten. Die Schatten der Hocken wurden länger und dann und wann strich ein kühler Luftzug über das Stoppelfeld. Meine Mutter hatte sich wieder erhoben und wandte sich dem Abwasch zu. 'War ja doch nicht so schlimm mein Junge' ".

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Flurschäden: Der deutsche Buch-Autor Jörg-Ulrich Vandreier aus Barsinghausen bei Hannover fest in Frauen-Hand; links die Schwester, rechts die Ehefrau. Für die Öffentlichkeit bebildert er gern sein Leben als mahnendes Beispiel. Fluchtversuche aus dem Matriarchat dieser Jahre - aussichtslos. Ob nun in der Psychotherapie oder beim Heilpraktiker - längst waren aus den Müttern von einst Feministinnen geworden. Frauen-Jahre.

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Jörg-Ulrich Vandreier: "Im Schatten der Ruinen blühten Honigblumen - Kindheitserinnungen an Aschen aus den 50er Jahren" Schröderischer Buchverlag; Bassum 1997 (ISBN 3-89728-017-5)

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von Reimar Oltmanns

28. September 2009

Leidenswege, Gefühlsrinnsale aus den fünfziger Jahren. Geschichten der Jungen. "Er", der schwule Frisieurmeister Rolf Heuer aus dem niedersächsischen Diepholz , ein Freund des Autors, " litt unter der Strenge und Macht seines Vaters, einem allgewaltigen Dorfpfarrer". Freund Rolf aus dem Friseursalon musste sein Anderssein verstecken, durfte allenfalls einfühlsam beim Haareschneiden um den Sessel herumturteln. Ja, ja, Rolf schien all das im Überfluss zu haben, " nach dem ich mich so sehnte: Die Auseinandersetzung mit dem Starken. Ich hingegen lebte in der ständigen Angst, meine selbstlose Mutter zu enttäuschen, musste Schwachem nachgeben. Während Machtstreben eine Überzeugung enthält" (da irrt der Autor), "und zum Beziehen einer eigenen Haltung zwingt, erschwerte die Lebensangst meine Orientierung." - Auf der Suche nach starken Männern. - Mama-Jahre.

GEHÄTSCHELT - UMSORGT

Die Einleitung in das Vandreier-Werk (VW) aus den fünfziger Jahren würde der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich, wenn er denn noch lebte, als eine "ambivalente Gefühlsspannung des Kindes" bezeichnen. Eben eines verwöhnten Vandreier-Sohnemanns bei mütterlicher Vollverpflegung , der die damals mit Beruf und Haushalt überforderte Frau an das idealtypische Wunschdenken an ihre Pflichten im "Heim und Herd" erinnerte. Gehätschelt, umsorgt, auch bevormundet von Nachkriegsmüttern, die die Wünsche ihre Jungs befriedigten, wo und wann immer sie auch rumorten. Knaben-Gesellschaften mit mütterlich angedichteten Madonnen-Kult späterer Jahre.

NACH DER SCHULE

Der Autor: "Ich kam nach Hause. Wie jeden Mittag befand sich meine Mutter am Herd ... Ihre 46jährige Schwester, Tante Hilde, saß neben der Tür, las, häkelte, aß Petersilie oder Mohrrüben. Meine Großmutter nähte an der Maschine nahe am Fenster. Alles wartete auf meine drei Jahre ältere Schwester Gudrun, die das Diepholzer Gymnasium besuchte. Mit uns Kindern kehrte das Leben zurück in die zwei kleinen Zimmer der ausgebauten Scheune eines Bauernhofes. Der Morgen der drei Frauen verlief ereignislos. Das Gespräch drehte sich um die schöne alte Heimat, um die verpassten Chancen in Pommern und um die Rückständigkeit der einheimischen Bevölkerung."

IDEALISIERT - IDYLLISIERT

Trennung erzeugt Sehnsucht und Hoffnung, das wissen wir seit eh und je. Der Tod des Vaters, der in einem Armen-Grab auf dem Diepholzer Friedhof im Jahre 1947 seine letzte Ruhe fand, wird zur "tragischen Liebe" erkoren, die sich nicht mehr erfüllen kann. Legendenbildung statt Aufklärung. Jörg-Ulrich Vandreier liest leise vor, wenn er gerade mal diese Textpassade erwischt. Nachhaltigkeit ist angesagt. Diese "große" Liebe im Vandreier-Haus des Matriarchiats fehlender Männer wird idealisiert wie idyllisiert. (Backsteinhäuser sind natürlich rot und der Schulhof ein wehmütiges Asservat ehrwürdiger Linden-Bäumen). Nur, so will es scheinen, ist diese nachträglich verkitschte Liebes-Vehemenz nicht zu widerlegen. Sie ist ein Teil des Fertigwerdens mit dem Kriegsdesaster, der Überlebens-Strategie in jenen verklemmten, ungepuderten Zeiten. Sie ist eine seelische "Notwendigkeit, der sich auch Fantasielose kaum werden entziehen können", schrieb Rüdiger Wurr in seinem Buch "Prinzen und ihre Mütter" (Klett-Cotta , Stuttgart, 1985).

JÜNGELCHEN ÜBERALL

Der Autor: "Meine Mutter sah mir sofort an, dass sich meine Laune nach unten bewegte. 'Hast du in der Schule Ärger gehabt?' In meinen kurzen 'Nein' war zu erkennen: Ich wollte meine Gemütsbewegungen alleine bewältigen. ... ... Mit einem hatte meine Großmutter endgültig aufgehört zu nähen, sie fiel förmlich in sich zusammen. Ihre wasserblauen Augen schauten sehr traurig aus dem Fenster (auf verschneite ) Landschaften und Wiesen zu dem weit entfernten Bauernhof, dem einzigen Haus, das von ihrem Platz aus zu sehen war. Dann trat Großmutter mit der ganzen Kraft auf das Pedal der Nähmaschine. Die mechanische Nadel fuhr rasend auf und nieder, und meine Großmutter schob mit ihrem ganzen Gewicht den Stoff gegen die blitzende Nadel. ... ... Jetzt kam meine Schwester Gudrun aus Diepholz nach Hause drei Jahre älter ist war sie. Auf dem Flur stampfte Gudrun den Schnee von den Schuhen. ... ... Am liebsten wäre ich aus dem engen Zimmer in den Hof gelaufen, doch meine Mutter schmeckte zum letzten Mal die Suppe ab. Ihrem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass sie mit ihrer Kochkunst sehr zufrieden war. Ein nochmaliges Verlassen des Zimmers hätte den notwendigen Respekt vermissen lassen."

UNBEDACHTE SÄTZE

Unbedachte Sätze des Autors lassen längst vergessene Rückschlüsse zu. Es sind offenkundig landläufig aufgedröselte Beiläufigkeiten über seelische Verfassungen wie Verklemmtheiten vieler in den fünfziger Jahren. Ob Buchschreiber Vandreier oder auch so manch anderer, sie wurden nach Maßgabe von Alexander Mitscherlich Opfer des Matriarchiats. Vandreier schrie mehr als einmal: "Mutter,was hast Du aus mir gemacht?" - Alexander Mitschlerlich schrieb zu den ambivalenten Gefühlsverwirrungen : "Das Kind wird mehr oder weniger zum Objekt, an dem sie ihre (Mutter) Unlustspannungen auslässt. Diese unsere Gesellschaftsentwicklung immanente Belastung der Mutter-Kind-Beziehung zu bagatellisieren oder gar in madonnen-ähnlichen Überhöhungen der oft unschuldigen, gereizten, an ihre Pflichten gefesselt fühlende Mutter zu verleugnen mag zwar einem idealtpyischen Wunschdenken genügen, erleichtert aber weder Müttern noch Kindern das Leben. Es erspart freilich der Gesellschaft, sich zu verändern."

FRAUEN-BLOCKADEN

In Deutschland waren es politisch markante Frauen-Verhinderungsjahre - bewusst geförderte Heim-und-Herd-Zuweisungen aus der Politik, die das Land um Jahrzehnte zurückwarfen. Über Jahre, Jahrzehnte stets dieselbe Ausgangslage: geringere Qualifikation; mangelnde Teilhabe an Berufen in Industrie wie Handel, kaum Ganztagsschulen, Frauen-Leicht-Lohn,schlechte Bezahlung. Unverständlich, dass FDP-Politiker Jörg -Ulrich Vandreier kein Wort über spezifische gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge besagter Aufbau-Epoche verliert. - Fehlanzeige.

MAMA - EINE MADONNA

Mit seinen narzisstischen Mama-Betrachtungen und wehmütig verklärten Blicken wirkt das Büchlein wie eine schlechte Kopie von F.C. Delius Schilderung aus den Fünfzigern: "Der Tag an dem ich Weltmeister wurde." Gelegentlich fühlt sich der Leser in die Rolle eines stillen Beobachters seiner Psycho-Therapie-Stunde hineinversetzt. "Nenndorfer Gespräche" nannte der Autor das einmal. Er ,das Hilfe suchende Bübchen, "Uli" genannt, bei seinen tiefenpsychologisch ergründeten Couch-Plaudereien (Krankenkassen-Vollkasko) im Städtchen Bad Nenndorf. Sein Gegenüber - natürlich eine Frau - hatte gemeinsam mit "Uli" herauszufinden, "an welchen Punkt meines Lebens mein Selbstbewusstsein einen Knacks bekommen hatte". Kärrnerarbeit. Mutter und kein Ende. Vandreier rechtfertigt sich: "Ja, ja, gewiss doch, meine Mutter sah für ihre 45 Jahre sehr gut aus. Dunkles, welliges Haar, lebhafte, grau-grüne Augen, ein freundliches, leicht slawisch wirkendes Gesicht und eine wohlgeformte Figur verliehen ihr Anmut und Charme. Sie war stets auf ihr Äußeres bedacht und kleidete sich trotz der begrenzten finanziellen Mittel wie sie es als Großstädterin gewohnt war: Sportlich, elegant und geschmackvoll." - Nur Mama-Jahre?

NEBENBUHLER

Weiter im Originalton: "Meine Mutter war vor dem Kriege in der Landwirtschaftskammer Stettin gewesen. Ich stellte mir in Gedanken vor, wie sie den ganzen Tag an einer solchen Schreibmaschine saß - für Tierärzte schrieb. Unwillkürlich musste ich an die Männer-Namen Pümeyer und Niemann denken und daran, wie begehrt sie damals war; Nebenbuhler um die Mama-Gunst zu schwerer Stunde. Naheliegend, dass der Autor seine Mutter in diesem Zusammenhang fragen lässt, was denn überhaupt Heimat sei? Die Wiesen, die Felder von einst, die Marsch-Äcker von heute? Achselzucken. Traurig schauen die Frauen drein - Mutter, Großmutter, Tante , Schwester inbegriffen. Vor ihnen sitzt Sohnemann "Uli". Nur er hört den Weltschmerz bibbern.

DEUTSCHE ROMANTIK

Solch rührselig angedichtete Textpassagen eignen sich abermals, einen Blick in Bücher kompetenter Kenner seelischer Deutungen, emotionaler Aufarbeitungen zu riskieren. Der Gießener Psychoanalytiker Horst Eberhard Richter (Der Gotteskomplex, Rowohlt, 1979) hätte "Uli" Vandreier "reaktionäre Überkommenheit" konzediert. Richter formulierte: " In der deutschen Romantik (Ende des 18. bis weit in das 19. Jahrhundert) gewann das Bild der Frau tatsächlich eine wichtige Rolle. Aber bei genauen Hinsehen stellte sich heraus, dass es genau um jene männliche narzisstische Verklärung des Frauenbildes handelt (ähnlich wie beim Autor) die gerade nicht dazu geeignet war, den Status der Frauen zu verändern.

GEFÜHLSHAFTE INNERLICHKEITEN

Diese "gefühlshaften Innerlichkeiten" sind in Europa vornehmlich den Deutschen vorbehalten. Es sind meist "gestandene" Männer, die des Abends an der Biertränke entweder vor "Madagaskar liegend die Pest" besingen oder gefühlstriefend ihrer Mama verflogener Jahre nachempfinden, Jörg-Ulrich Vandreier inklusive. Spätestens auf Seite 109 des "Honigblumen-"Buches ("Nun, etliche Jahre später, saß meine Mutter mit ihrer kleinen schwarzen Tasche endlich wieder vor mir") drängt sich für interessierte Leser die Frage auf, wen es hier eigentlich zu therapieren gilt; den Autor oder nicht vielleicht doch die Psychoanalyse insgesamt. Ein Einzelfall auf einer ansonsten noch intakten Bühne?

DOPPEL-GEBOT DER LIEBE

"Schön wäre es", berichtet Vandreier, "bei uns in der Kirchengemeinde zu St. Markus in Barsinghausen", halten selbst Seelsorger das theologische "Doppelgebot der Liebe" nicht mehr aus. Männer in schwarzen Talaren, denen das Liebeswerben so mancher Frauen zu Kopf gestiegen ist; ganz nach dem Lebensgefühl: wer ist der attraktivste Pastor fürs weibliche Geschlecht weit und breit. Es sind halt schon entgeisterte Theologen, die ihre unnachahmliche Feindschaft auf offenem Kirchen-Mark austragen; sei es des Sonntags von der Kanzel, im Kirchenchor oder selbst vor jungen Knaben im evangelischen Kindergarten. Alltags-Satire. Bitterernst. Tatsächlich sind es verwirrte Pastoren, die stickum in psycho-analystischen Gesprächstherapien - ihre Obhut suchen. Jede Woche zwei Mal mit der Üstra-Stadtbahn Hannover-Barsinghausen und zurück.

APERITIF-GETUE UM SIGMUND FREUD

Mittlerweile ist es schon zu einer Mode der Moderne geworden, dass man etwa seelische Krankheiten, Depressionen, Antriebsschwächen, Verzagtheiten, Einsamkeiten allein schon durch Reden, Zuhören kurieren kann. In Hannover oder Frankfurt am Main war Sigmund Freud (*1856+1939) für jedes Aperitif-Parlieren mit Betroffenheits-Getue ein viel zitierter viel gefragter Zaungast. Kaum jemand aus dem links-intellektuell angehauchten Jet-Set-Schicki-Micki-Milieu, der nicht von seinem Seelen-Doktor zu berichten weiß; ganz nach dem Erfolgs-Dünkel: Es gibt gar keine Psychoanalyse, es gibt nur Psychoanalytiker. Sie hören wenigstens noch zu in einem Land schnelllebiger , erkalteter Allerwelts-Phrasen. Deutschland ein Land, in dem zumindest eine Charakter-Eigenschaft verbindlich zu sein scheint, die da lautet: "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern noch."

ENDSTATION: FAMILIEN-AUFSTELLUNG

So gesehen ist es sogar irgendwie folgerichtig, dass Buch-Schreiber Vandreier nach einem halben Leben auf der Couch, sein Mama-Schicksal einem früheren Missionar in Afrika anvertraute - die Therapie-Karriere bei einem Scharlatan unverbrauchte Höhepunkte suchte - und wohl auch fand. Zwischen den Zeilen seines Buches wird deutlich, dass der Autor Zeit seines Lebens auf der Suche nach Nähe und Durchbruch war; Weiber-Nähe, Karriere-Durchbruch für diesen "Uli"-Jungen. Bert Hellinger heißt der Glücksbringer aus dem fernen Südafrika, wo er als Missionar mit neuen, ungewohnten Stellungen die ermattete Zweisamkeit auffrischte - "Lebenshilfemethoden" genannt. Da tut es nichts zur Sache, dass die Wiener Psychoanalytische Vereinigung diesem Psycho-Guru verklemmter Seelen die Anerkennung seiner "Ausbildung" verweigerte.

ZUNGE AUF ZUNGE

Hellinger, ehedem katholischer Mönch der Marianhiller Missionare lässt Aufstellen -nicht etwa in "Missionarstellung". Gleichwohl gilt es alte vertraute Familienmitglieder neu mit x-beliebigen, fremden Personen ganz frisch zuzuordnen; Auge an Auge, Lippe an Lippen , Zunge auf Zunge. Schmatzen. Es gilt Vergangenes, Verklemmtes, Verdrängtes abermals emotional in die Gegenwart zurückzuholen, erlebbar zu machen. Gefühlsausbrüche. Kritiker, wie der Schweizer Werner Haas, Klinischer Psychologe und Supervisor , sezieren die Hellinger-Methode. Werner Haas schreibt: "Magische Rituale würden dort eine Therapie ersetzen, anstatt einer Diagnose werde ein 'Orakel' veranstaltet und Ursachenforschung erschöpfe sich im Nachbeten der Okkult-Lehren des Meisters über die Entstehung von Krankheiten und Leid". - Wieder ein Guru.

SEXUELLE VERLANGEN NACH MAMA

Zumindest werden Männer und Frauen so aufgebaut, hingestellt, dass sie der speziellen Wahrnehmung der Familiensituation - in diesem Fall die des Autors - entsprechen. Jörg-Ulrich Vandreier rekapituliert in seiner Lesung: "Es war auch noch dazu eine besonders schöne Frau, die mich beglückte und meine Mutter spielte. Sodann habe ich gemerkt, wie sehr ich damals als Junge in meine Mutter verliebt war, in mir auch ein starkes sexuelles Verlangen nach meiner Mutter pochte. Sie war das A und O meines Lebens."

VATERLOSE ZEITEN

Es waren vaterlose Zeiten vielerorts nach den Kriegen auf diesem Kontinent. Männer, die in den späteren Vorstellungen ihrer Söhne kaum noch eine Rolle spielen. Aus gutem Grund suchen klassisch geschulte Therapeuten in all den Jahren Vandreiers Hauptaugenmerk ein wenig auf seinen 1947 an Kriegsverletzungen verstorbenen Vater zu lenken. - Gleichgültigkeit. Kein Interesse, keine Vorstellungskraft - selbst in Hellingers Familienaufstellung mochte der Autor seinen Erzeuger nicht finden. ("Der hat doch hier überhaupt nichts verloren") - Indes: Überall wie nirgends lauerte, winkte, schmuste, redete, schimpfte die Mama, die er abgöttisch liebte, liebkoste - ein Liebesgefühl, das nicht weichen will.

Immerhin, weiß Vandreiers Ehefrau Monika zu berichten, kümmert sich ihr Mann, neuerdings als SPD-Mitglied, mehr in Sachen Umweltschutz um " Klimawandel" und "Bodengifte" in seiner Region. Schwerpunktverlagerung. Hin und wieder soll er gar als Früh-Rentner im Alter von 64 Jahren im Foyer des niedersächsischen Landtags zu Hannover im Lodenmantel mit Baskenmütze gesichtet worden sein. Das will schon was heißen, nach all den bitteren "Mama"-Jahren. Nur auch dort ist die längst verstorbene Frau diskret dabei: im Aktenköfferchen als Buch; für alle Fälle versteht sich.

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