- Nr.30/2002
Die UN hatte für 1978 das "Jahr der Menschenrechte" angekündigt, und die stern-Reporter wollten vorab testen, wie es darum stand. Dafür brauchten sie eine Notlüge. Um zu erfahren, wie es in Südamerikas Folterstaaten 1977 wirklich zuging, gaben sich Peter Koch (stern-Chefredakteur von 1981 bis 1983; gestorben 1989), Perry Kretz und Reimar Oltmanns etwa in Uruguay, Argentinien oder Chile als Wirtschafts-Kundschafter aus. Sie wollten angeblich vor Ort erkunden, "ob dieses Land für deutsche Investoren sicher" sei, sicher vor Terroristen und Bürgerkrieg. Prompt öffneten sich ihnen in Uruguay die Tore zu Lateinamerikas größtem Konzentrationslager. Es hieß "Libertad" - Freiheit. Dort waren 1342 politische Gefangene zusammen-gepfercht. Im Drei-Millionen- Volk der Uruguayer gab es kaum eine Familie, in der nicht ein Mitglied vertrieben, gefoltert oder ermordet worden war.
UNGENIERTE JAGD
Aus Angst vor Entdeckung schob jeweils einer der drei stern-Reporter nachts in den Hotels Wache. Tagsüber wagte sich keiner ohne den anderen auf die Straße. Gewalt war an der Tagesordnung - auch anderswo. In den siebziger Jahren machten die Militärs fast überall ungeniert Jagd auf Sozialrevolutionäre, Kommunisten und Pazifisten. Von den damals 159 Staaten der Welt verletzten 110 die Menschenrechte.
Die stern-Recherche in Südamerika führte zur schok-kierenden stern-Serie "Folter '77", die mit Fotos und Augenzeugenberichten belegte, wie Andersdenkende mit Elektroschocks und "Papageienschaukel" geschunden, zerbrochen und ermordet wurden. Die Serie erschien auch als stern-Buch. Titel: "Die Würde des Menschen".
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