Dienstag, 15. September 1970

FDP will Jungdemokraten rausschmeißen - Reimar Oltmanns: Wir sind gelassen




























Hannoversche Presse
vom 15. September 1970
von Wolfgang Tschechne

Reimar Oltmanns, der am Wochenende in Osterode/Harz neu gewählte Landesvorsitzende der Jungdemokraten (DJD) in Niedersachsen, sieht einem möglichen Ausschlussverfahren, das der Landesverband der FDP gegen ihn anstrengen will, "mit Gelassenheit" entgegen.

Einen Tag nach dem Landesjugendtag der niedersächsischen Jungdemokraten hat der geschäftsführende Landesvorstand der FDP in Hannover beschlossen, "die letzten noch bestehenden Verbindungen zum Landesband der DJD abzubrechen". Dazu ein Sprecher des FDP-Vorstandes: "Die FDP ist der Auffassung, dass die Landesorganisation der Jungdemokraten marxistisch-leninistisch beherrscht ist."

AUFRUF ZUM KLASSENKAMPF

Als besonders schwerwiegend verurteilt der FDP-Landesvorstand einen in Osterode verabschiedeten Antrag zur Ausbildung, in dem es heißt: "Die Diktatur der Bourgeoisie muss zerschlagen werden, um eine Gesellschaftsordnung zu errichten, in der alleine jene bestimmen, die den gesellschaftlichen Reichtum erarbeiten." Die FDP sieht darin einen Aufruf zum Klassenkampf.

Dazu erklärte Reimar Oltmanns: "Bei diesem Antrag handelt es sich um eine Zwischenanalyse. Das Vokabular darin hat mich selbst gestört. Ich habe mich deshalb in Osterode dafür eingesetzt, dass er erst noch weiter bearbeitet wird. Ich betone jetzt dazu ausdrücklich, dass in diesem Antrag zwar sozialistische Analysen mit aufgenommen worden sind, dass sich aber an einer linksliberalen Interpretation des Inhalts nichts geändert hat und nichts ändern wird."

PARTEI DES EIGENTUMS

FDP-Landesvorsitzender Rötger Groß (*1933+2004) erläuterte seine Stellungnahme als Angrenzung zu den möglichen marxistischen Strömungen so: "Die FDP ist eine Partei des Eigentums. Die soziale Verpflichtung des Eigentums ist die liberale Antwort auf jede Form des Sozialismus. Wer glaubt, sozialistische Vorstellungen vertreten zu müssen, möge sich nach einer anderen politischen Heimat umsehen."

GENERATIONENFRAGE

Jungdemokrat Reimar Oltmanns sieht in der aufgetretenen Kontroverse weniger sachliche Spannungen, sondern vielmehr Schwierigkeiten der Verständigung zwischen den Generationen: "Wir müssen dahinkommen, die gesellschaftliche Lage der Gegenwart mit anderen Begriffen zu bezeichnen, weil das Vokabular des 19. Jahrhundert ungeeignet ist, unsere unverändert linksliberalen Vorstellungen deutlich zu machen. Wir sind nicht, wie es heißt, marxistisch-leninistisch beherrscht, aber wir beziehen selbstverständlich auch marxistische Wirtschaftstheorien in unsere Überlegungen ein, um unseren eigenen Standpunkt zu finden. Die Wirtschafts-theorie hat doch nicht bei Friedrich Naumann (*1860+1919) aufgehört."

Formell könnte die Trennung zwischen den Landesverbänden der FDP und DJD am 19. September 1970 vom Gesamtverband der niedersächsischen FDP besiegelt werden. Oltmanns: "Ich denke, dass bis dahin mögliche Missverständnisse ausgeräumt werden können. Zur Zeit jedenfalls bin ich noch als Vertreter der Jungdemokraten Mitglied des FDP-Landesvorstandes."

"SONDERBÜNDELEI"

Landesvorsitzender Rötger Groß sorgt sich derweil nicht nur um die Jugend seiner Partei, sondern auch mit den "Rechtsabweichlern" der National-Liberalen Aktion (NLA). Er wirft den NLA-Mitgliedern "Sonderbündelei" vor und erklärt: "Eine Zweigleisigkeit in der Mitgliedschaft wird es nicht mehr lange geben können." FDP-Bundesgeschäftsführer Volrad Deneke (*1920+2006) vertrat jedenfalls dezidiert Ansicht, wonach die Programmatik der FDP-"Rechtsabweichler" den Aussagen der NSDAP und der NPD ähneln.

Wenigstens in diesem Punkt gibt es Einigkeit zwischen FDP und den Jungdemokraten in Niedersachsen: der Landesjugendtag in Osterode hat die FDP aufgefordert, den Unvereinbarkeitsbeschluss und die gleichzeitige Mitgliedschaft in der FDP und der deutsch-nationalen schnell herbeizuführen.










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