Mittwoch, 3. September 1980

Berlin im Kalten Krieg: lebenslustig und kunterbunt - Endzeit-Stimmungen in den Achtzigern






























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metall-magazin, Frankfurt am Main
03. September 1980
von Reimar Oltmanns
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Grenzübergang Herleshausen/Wartha an einem Samstagmorgen im August. Langsam schiebt sich die auf 200 Meter angestaute Autokolonne an den DDR-Kontrollpunkt heran. Eine Blechlawine, die fürs Wochenende nach West-Berlin rollt. Vollgestopfte Touristenbusse aus dem Süden der Republik, Familienkutschen mit Thermoflaschen, Stullen und Kindersicherheitssitzen. die meisten aus dem Frankfurter Raum, hin und wieder ein paar unorthodoxe Gestalten, Latzhose, Jesus-Latschen und den obligaten "Atomkraft, nein danke"-Aufkleber am Heck ihrer Kleinkarosse.
ZACKIGE DDR-GRENZER
Ihr Gegenüber: zackige DDR-Grenzer, die den eingebläuten Stechschritt wohl kaum verlernen werden. Die Haare im Nacken sind liniengerade abgestutzt, die Ohren frei rasiert. Preußische Sozialisten auf der einen, westdeutsches Allerlei auf der anderen Seite. Ein notgedrungenes, unterkühltes tête-à-tête, das seit Jahren aus den Schlagzeilen raus ist. Die Fragen der DDR-Grenzer sind knapp, kein überflüssiges Wort, ihre Blicke sind geschult und routinesicher, keine auffällige Geste - ein zurückgenommenes Verhalten wie vielerorts.
STILL, ARTIG - DEVOT
Das alles dauert nur wenige Minuten - Reisepass und Kfz-Schein abgeben - warten - ein Stück vorfahren - Identitätskontrolle - weiter geht's. Und dennoch brechen in solchen Momenten deutsch-deutsche Eigenarten auf, wenn auch manchmal nur für Sekunden. In diesem Augenblick wären Sätze wie "Freie Fahrt für freie Bürger" undenkbar, da wird weder gemault noch gemotzt. Der Bundesbürger begegnet der personifizierten DDR-Staatsmacht still, artig, bisweilen devot. Vielleicht ist es der Angst einflößende Habitus, die Uniform als Garant für Kompetenz, Zugriff und Selbstsicherheit, die schlummernde Rudelsehnsüchte abermals wecken. Vielleicht kommen auch Berührungsängste hoch. Nur kann die DDR-Staatsgrenze West der augenscheinliche Grund dafür nicht sein. Hohe Sichtschutzwände versperren nämlich den Blick auf Drahtzäune, Selbstschussanlagen, Panzersperren, Beobachtungstürme. - Herleshausen-Wartha präsentiert sich international. Beinahe so, als bestünde jenes Monstrum aus Tretminen und Todesstreifen nur in den wirren Köpfen einiger Fantasten.
16 MILLIONEN AUTOFAHRER
Aber auch das ist Herleshausen-Wartha. Der Beginn einer unendlich erscheinenden Fahrt auf der Transitstrecke nach Westberlin. "Bleiben Sie strikt unter hundert". hatte der bundesdeutsche Grenzer dem Hanauer Elektroschweißer Eberhard Polikeit noch empfohlen. Denn die Kontrollen sind engmaschig, die Strafen horrende und unerbittlich.
STADTKOLLER
Westberliner Transit-Profis, die da zigmal im Jahr durch die DDR pesen, wissen das nur allzu genau. Oft fahren sie am Wochenende "nur mal kurz" in den Harz oder in die Lüneburger Heide, weil sie der Stadtkoller zu zerfressen droht. Unzählige halten sich erst gar nicht an das vorgegebene Tempolimit, lassen es gleich mit 120/130 angehen, stochern munter drauflos. Da versteht es sich von selbst, dass hochempfindliche Funkmessgeräte ausschlagen und die Transitautobahn somit zu einer sicheren aber auch lukrativen Devisenquelle geworden ist. Immerhin passieren jährlich an die 16 Millionen Autofahrer die deutsch-deutschen Grenzen. Sollten sich nur jeder achte in einer Radarkontrolle verfangen, brächte dies bei einem durchschnittlichen Bußgeld von 100 Mark insgesamt 200 Millionen Mark in den DDR-Staatssäckel.
TACHO, ASPHALT, BLECHLAWINEN
An diesem Sommermorgen jedenfalls quält sich nach dem Kontrollpunkt Herleshausen-Wartha eine Autotraube zähflüssig über eine schmale Baustellenspur, Tempo vierzig ist angesagt, immer wieder müssen die Fahrbahnen gewechselt werden, mal links, mal rechts - kilometerweit. In der Kolonne tuckert der blaue Golf-Diesel des Hanauer Elektroschweißers Eberhard Polikeit. Mit seiner Frau und den beiden Kindern befährt der 35jährige zum ersten Mal die Transitstrecke Herleshausen-Berlin.
Tacho, Asphalt, Blechlawinen - kein Blick auf die weiträumige, scheinbar in sich ruhende, bisweilen pittoreske Landschaft, kein Gedanke an Städte wie Erfurt, Weimar, aber auch Jena, die Polikeit links und rechts liegen lässt. Lediglich jene Hinweisschilder, die vermeintliche Radarkontrollen signalisieren, interessieren noch. - Ein Sommerausflug nach Berlin im längst verblassten achtziger Jahrzehnt.
HERMSDORFER KREUZ
Kurz vor dem Hermsdorfer Kreuz ein Raststätten-Schild. Mittag ist zwar längst vorbei, aber der Picknickkorb soll nicht umsonst gepackt worden sein. Vor der Abfahrt - darauf hat Polikeit genau geachtet - nochmals ein Raststättenhinweis. Aber plötzlich wird er unsicher, habe er doch den Zusatz vermisst. Schließlich dürfte nur auf ausgewiesenen Transitplätzen geparkt werden. Für einen Moment ist Polikeit sich unschlüssig, was er nun machen soll. Die Räder hat er allerdings schon in Richtung Raststätte eingeschlagen, will dann aber lieber schnurstraks weiterfahren. Keine Wende, ein kleiner Schnörkel, mehr nicht.
VOPO-STREIFE, VOPO-MANN
Vierhundert Meter danach - ein Vopo-Streifenwagen überholt Polikeit, er wird an den Autobahnrand gewunken. "Sie haben gegen die Straßenverkehrsordnung der Deutschen Demokratischen Republik verstoßen", erklärt der Polizist. "Nein, das kann nicht sein", erwidert der verdutzte Polikeit. "Doch, Sie haben auf der Autobahn gewendet", bedeutet der Vopo. "Aber dies würde mir im Traum nicht einfallen", kontert Polikeit. "Es besteht kein Zweifel, Sie sind rückwärts gefahren." - "Ich sagte Ihnen schon, das stimmt einfach nicht." - "Wenn Sie es genau wissen wollen, Sie haben eine Leiteinrichtung überfahren!" Damit ist der Disput beendet. Aus einer eindringlichen Belehrung "über die Gefährlichkeit des Überfahrens von Leiteinrichtungen" heraus legt der Vopo-Mann dann, beinahe dramaturgisch, das Bußgeld fest - 50 Mark. Auf der Quittung heißt es: "Sie haben ... ... schuldhaft eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 1 (1) + 6 (1) StVO begangen, indem Sie die Verkehrsleiteinrichtungen missachteten."
DEVISEN-BESCHAFFUNG
Irgend jemand muss Eberhard Polikeit bei seiner Lappalie beobachtet haben, als er halbherzig die Raststätte ansteuerte. Vielleicht vom Wachturm oberhalb des Hermsdorfer Kreuzes, möglicherweise stand die Vopo-Streife getarnt in Lauerstellung. Polikeit hätte am liebsten kehrtgemacht und wäre nach Hause gefahren, so ungehalten war er. Zornig über die ihm mir nichts, dir nichts abgeknöpften 50 Mark, verdrossen über die offenkundig allgegenwärtige Vopo-Beschattung - die Transitautobahn quasi als westdeutscher Laufsteg, von dem jeder x-beliebig heruntergeholt und zur Devisenbeschaffung der DDR zur Kasse gebeten werden kann. Aber er fuhr weiter, nunmehr in Hab-Acht-Stellung, sich stets halbwegs vergewissernd, ob sich nicht doch hier oder dort ein Vopo plötzlich vom Grün der Büsche abhebt.
FREIHEITSGEFÜHL
Wie auch immer, Eberhard Polikeit entkrampfte sich merklich, als er die Grenzkontrollstelle Dreilinden kreuzte. Endlich hatte er es geschafft. Auf der Westberliner Avus entlud Polikeit seine unterdrückten Aggressionen und drehte kräftig auf. "Freiheitsgefühl" nannte er das, wähnte er sich doch im freien Westen, jedenfalls bis zum Hohenzollerndamm, in dem er einbog, Mit 80/90 brauste Polikeit in Richtung Tempelhof. Diesmal überholte keiner seinen blauen Golf, diesmal wurde er von einer Radarkontrolle geblitzt; drei Punkte in der Flensburger Verkehrssünderkartei waren ihm sicher.
ÜBER 1,3 MILLIONEN TOURISTEN
Über 1, 3 Millionen Touristen, mehr als Hamburg, München oder die Bundeshauptstadt Bonn besuchen, bevölkern jährlich diese Stadt. Westberlin, einst als Fronstadt des Westens und als Sperrspitze apostrophiert, ist heute zu einem Durchlauferhitzer geworden, Eben ein deutsches Mekka der ewig stehen gelassenen Koffer.
DEUTSCHES MEKKA
Wohl keine bundesdeutsche Abschlussklasse, die nicht einen der doppelstöckigen Sightseeing-Busse zur Stadtrundfahrt besteigt. Und wohl kein Kegel- oder Gesangverein, der sich vom Klischee "Berlin bleibt Berlin" abschrecken ließe. Die 160 Kilometer lange Mauer, dieser seltsame "antifaschistische Schutzwall" aus Beton und Bedrückung, offener Furcht und verkappten Ängsten; die Bernauer Straße mit ihren alles überragenden Klettergerüsten für Staatspräsidenten, Schaulustige und jene, die das "Vaterland unentwegt im Herzen tragen"; der Reichstag, die Freiheitsglocke, die Gedächtniskirche, die Kongresshalle, die Deutsche Oper, die Philharmonie, das bombastische Internationale Congress Centrum (ICC), natürlich der Ku'Damm, auf dem es wie eh und je nach Freiheit, Frechheit und Benzin riecht.
DOPPELDECKER-BLICK
Wie ein Acht-Millimeter-Film flimmert die Außenfassade beinahe atemlos an einem vorbei. Nur ab und zu ein Päuschen, hier und dort ein Gruppenbild, das wahrscheinlich erst im Fotoalbum seiner Bedeutung gerecht werden dürfte, und immer wieder surren die Kameras - natürlich aus der Doppeldecker-Perspektive.
AUFGESETZTE HEITERKEIT
Die Touristenführer mit Mikrophon und aufgesetzter Heiterkeit spulen ihr Programm kabarettreif herunter. Altbekannte Einlagen, die so gar nicht zum hochgezüchteten Selbstverständnis dieser Weltstadt passen wollen, aber so offenherzig und blauäugig vorgetragen werden, dass aufkommende Peinlichkeiten oft in Mitleid umschlagen. Es ist ja auch verdammt schwer, jeden Tag im Doppeldeckerbus durch die Stadt zu kurven, jeden Tag an derselben Stelle sein Witzchen zu reißen; noch dazu auf berlinerisch und möglichst unnachahmlich in der Diktion. Da heißt eben tagtäglich aufs neue die Philharmonie "Schwangere Auster", das Konfektionshaus am Zoo "Bikini" - oben was, unten was und in der Mitte nischt", die Baubehörde am Fehrbelliner Platz "Haus der 500 Schlafzimmer".
HAUCH DER ZWANZIGER JAHRE
Ein banaler Humor, der mit der viel gerühmten "Berliner Schnauze" wenig Gemeinsames hat, dafür aber eine merkwürdige Auf-Teufel-komm-raus-Mentalität freilegt. Überhaupt zeichnen sattsam bezahlte Imagemacher aus dem gesamten Bundesgebiet ein verzerrtes, aufgemöbeltes Profil von dieser Zwei-Millionen-Stadt. Was da so jährlich an kostspieligen Hochglanzbroschüren vom Senat auf den Markt und damit in den Papierkorb geworfen wird, lässt Unvergleichliches erahnen. Dabei wimmelt es nur so von Superlativen, es strotzt von Klischees - keines scheint abgedroschen, jedes erlebt regelmäßig seine Neuauflage. - Durchatmen.
FRONTSTADT-SCHICKERIA
Da bleibt Berlin nicht nur Berlin, das nun mal "eine Reise wert ist", da sind die "Kreuzberger Nächte lang - Punk macht krank". Da tanzten, tranken und grölten Mitte der achtziger Jahre Abend für Abend die fein betuchte links-liberale Intellektuellen-Schickeria vom "Sender Freies Berlin" in der griechischen In-Kneipe "Terzo Mondo" in Charlottenburg auf und an den Tischen; immer er Suche nach Nähe und Durchbruch, Zuneigung und Beachtung. "Ja, ja, " tönte es da ungefragt aus der Rundfunk-Ecke, "durch Berlin , das Paris des Osten, weht immer noch ein leichter Hauch der goldenen zwanziger Jahre", eine "Dreifaltigkeit, diese Achse Paris-London-Berlin. Wir mit unserem Sender sind dabei." - Und wenn schon mal ein Künstler dem "Spree-Athen" ade gesagt, dann geht er allenfalls nach New York oder Rom. Nein, eines kann den Berlinern und ihren Zugereisten nicht vorgeworfen werden. Mit internationalen Vergleichen geizen sie keineswegs. So muss selbst der Bahnhof Zoo für eine exklusive Variante herhalten, liegt er doch "in der Mitte zwischen Moskau und Paris". Und natürlich dieser Ku'Damm, diese Prachtstraße, "dieses größte Kaffeehaus Europas", auf dem einst Schreiber und Genies, Mätressen und Gigolos, Zuhälter und Zocker einträchtig an den Tischen hockten. Nicht zu vergessen, "Zille sein Milljöh", der die bittere Armut und Trostlosigkeit Berliner Arbeiter porträtierte. Bilder, die gegenwärtig Hochkonjunktur haben. Ließ´sich doch die soziale Misere von damals heute auf die idyllische Popo-Klitsche auf dem Hinterhof reduzieren.
WELTHÖCHSTEN WERBE-ETAT
Keine westdeutsche Großstadt poliert derart an ihrer Außenwirkung wie Berlin. Mit 48 Millionen Mark verfügt der Senat über den "welthöchsten Werbeetat" in nur einer Legislaturperiode. Beinahe so, als könne das verlorene Wichtigkeitsgefühl einer Hauptstadt mit PR-Aktionen kompensiert werden, als könnten Millionen-Spritzen aus dem Bonner Bundesetat jene Langzeitfolgen des Zweiten Weltkrieges ungeschehen machen.
IDENTITÄTSKRISEN
Besucher, die die Stadt abgrasen, spüren kaum etwas von ihren tiefen Identitätskrisen- Gibt es doch die wachgeküsste Kulturszene aus Philharmonie, Deutscher Oper, Galerien, Bücherstuben, ulkigen Kneipen ohne Polizeistunde. Rockt und jazzt es im "Folkpub" oder im "Riverboat" nicht etwa in allen Stilrichtungen von 1900 bis zum Jahre 2020? Leben die Rockstars Nina Hagen, David Bowie oder Iggy Pop nicht etwa in Berlin? Und dieser viel geschmähte Ku'Damm. Ist er etwa menschenleer oder blutarm? Gut, aus einer Bummelallee wurde ein Rummelplatz. ein Bouletten-Boulevard, eine Pommes-frites-und-Curry-Wurst-Chaussee; flankiert von Pornoschuppen und Peepshows, Rue de Kiez mit vielen winzigen Straßenkläffern, Strichern samt Laufkundschaft; eben viel Plastik, viel Reklame. Aber was will das schon besagen, war der Ku'Damm doch in Wirklichkeit immer eine eigenwillige Collage - ein bisschen Hamburger Jungfernstieg, ein bisschen St.-Pauli-Reeperbahn. Menschentrauben strömen hier Tag für Tag auf und ab. Geschäftsleute aus West-Europa, Asien und Nordamerika, Schulklassen, Reisegesellschaften, kaum eine Fremdsprache, die der Ku'damm nicht kennt. Meist sind die vorgeschobenen Café-Veranden voll besetzt, weitere Hotels, natürlich in Zoonähe, sollen hochgezogen werden, bis 1985 sind 3.000 neue Zimmer fest eingeplant, damit noch mehr Touristen allabendlich im "Alt-Berliner-Biersalon" der hessischen Sechsmannkapelle ein Umtata zuhören können. Dort. wo das Wachstum und seine Gedanken daran offenkundig grenzenlos ist - dort ist Berlin.
ZWEI, DREI MAUERN IN BERLIN
Die Spree-Metropole der achtziger Jahre - tatsächlich zieht sich nicht nur die eine Mauer durch die Stadt. Vielmehr sind es zwei, vielleicht auch drei, die letzteren unsichtbar. Sie zerschneiden diese 848 Quadratmeter große Fläche. Etwa so, wie es der frühere Chefredakteur der Berliner "Abend", Jürgen Engert, einmal beschrieb: "Hier in Berlin können Sie ein Bankräuber in Neukölln sein, Transvestit in Charlottenburg, Regierungsrat in Schöneberg und Industrieller in Wilmersdorf - in diesem Mixtum Compositum beißt sich nichts."
AUFGESCHWATZTER MYTHOS
Dem Touristen zwischen Ku'Damm und Zoo, zwischen Savigny- und Stuttgarter Platz indes bleibt der Zugang zum labilen und komplizierten Berliner Innenleben versperrt. Zu sehr klebt er an den ihm vorgesetzten Abziehbildern der zwanziger Jahre; einem eingeimpften und herbeigeredeten Mythos, der schon über vielerlei Selbstzweifel hinweghalf.
ABRISS UND KULISSE
Aber all dies erspart manchem Besucher jene lästige Identifikationskrise, von der sich die Mehrzahl der Westberliner bisher nicht zu befreien vermochte. Die Stadt, zugeschnitten auf die Funktion einer Metropole, ist in Wirklichkeit nur ein Rumpf, der sein Umland verlor. Bürger zwischen Abriss und Kulisse. Grüne Villenvororte des Westens - ein Stück verblasster bürgerlicher Selbstdarstellung aus der Wilhelminischen Epoche. Im Osten abbruchreife Mietskasernen ohne Bad und Klo. Im Norden Neubauten, die sich zum Märkischen Viertel und zur Gropiusstadt zusammenschlossen. Fenster wie symmetrisch aneinandergereihte Schiffsluken, Grünflächen nach Planquadraten. Schlafstädte aus der Retorte euphorischer Architekten. - Zerschnitten werden die Kieze aus schwülstiger Vergangenheit und nüchterner Gegenwart durch großflächige Boulevards, Avenuen, Stadtautobahnen.
GESCHICHTE UND GEGENWART
Berlin krankt an seinem Anspruch, den die Wirklichkeit nicht einlösen kann. Die Stadt zerreibt sich zwischen Gegenwart und Geschichte. Das verlorene Hauptstadt-Gefühl ist längst noch nicht überwunden, die Suche nach einem politischen Gleichgewicht scheint endlos. Berlin - das ist eine Metropole im Wartestand. Der S- und U-Bahnhof Friedrichstraße, ein Labyrinth an Gängen und Treppen, sein heimliches Sinnbild, Bahnhof Friedrichstraße ist der einzige Geltungsbereich für DM West und Ost, eine Schmuggel-Station für unverzollte Waren, ein Knotenpunkt der deutsch-deutschen Innenausstattung.
ÜBERALL IST "DRÜBEN"
Hilfesuchende Ostrentner schleppen sich, mit Taschen, Tüten und Koffern vollgepackt, in den Westen, den sie "drüben" nennen. Überall lauern DDR-Polizisten, Ihr Ton ist kaltschnäuzig und blechern, ihr Arbeitsplatz gleicht einer Verladerampe, auf der sich westdeutsche Touristen willenlos herumkommandieren lassen. Auch sie wollen nach "drüben", wenngleich sie den Osten der Stadt meinen. Mittendrin sprachlose Türken, Pakistanis und Afrikaner. Die einen gehen, die anderen kommen - meist illegal, oft auf der Suche nach einem Stückchen Wohlstand, einem Quäntchen Geborgenheit. - Wer auch immer den Bahnhof Friedrichstraße passiert, ob von West nach Ost oder umgekehrt, er will nach "drüben". Nirgends im deutschen Sprachgebrauch wird das Wort "drüben" so häufig benutzt wie in Berlin. "Drüben" ist ein Synonym, gleichsam für die DDR und die Bundesrepublik. Es erspart dem Berliner die ihm unliebsame DDR-BRD-Abkürzung, konserviert vielleicht den schmalen Pfad an Gemeinsamkeiten, rechtfertigt aber zumindest, sich als eine Stadt im Wartestand zu begreifen.
BRÜCHE, KNACKPUNKTE, SCHAUPLÄTZE
Überall in Europa hat sich die Gesellschaft in den letzten beiden Jahrzehnten rapide gewandelt, ist die Zeit kurzlebiger, sind die Maschinen, die digitale Verarbeitung schneller geworden - werden die Menschen allmählich überflüssig, Wohl in keiner westdeutschen Stadt sind die Kontraste derart scharf geschnitten, prallen Widersprüche derart unversöhnlich aufeinander. Berlin ist ein Schauplatz der deutschen, innerdeutschen, gesamtdeutschen Konflikte, ein Austragungsort des Nord-Süd- und Ost-West-Gegensatzes. Mauer, Schíeßbefehl, Geheimdienstinsel, Springer-Konzern, Studentenrevolte 1968, Kommune und Kinderladen, RAF-Terroristen, Morde, Entführungen, Gastarbeiter-Gettos, Asylantenbahnhof. Systemverweigerer und Alternativler, Arbeitslose und Großraumcomputer.
MENGE MENSCHEN
"Berlin ist gar keine Stadt", schrieb Heinrich Heine (*1797+1856) im Jahre 1830, "Berlin gibt bloß den Ort dazu her, wo sich eine Menge Menschen, und zwar darunter viele Menschen von Geist, versammeln, denen der Ort ganz gleichgültig ist." Tatsächlich war die Stadt schon immer ein Kristallisationspunkt der Extreme.
STECHSCHRITT-METROPOLE
Zu Zeiten finsterer Reaktion in Europa war Berlin eine Herberge für Verfolgte und entwickelte sich zu einer Stätte der geistigen Erneuerung. Berlin war nicht nur Preußens Gloria, das war vielmehr die deutsche Stechschritt-Metropole. Die bürgerliche Revolution von 1848 hatte nicht den Hauch einer Chance, wurde sie auf der Straße zertrampelt. Bismarcks Sozialistenjagd nahm hier ihren Ausgang. Weimars frisch gekeimte Demokratie endete in Berliner Barrikadenkämpfen, von hier aus wollte der Führer die Welt unterjochen - tausendjährig und blutrünstig.
KLASSEN-GEGENSÄTZE
Aber auch das war Berlin. Eine Stadt der härtesten Klassengegensätze. Ein "Paris des Ostens" mit 30.000 Millionären und ein bisschen mehr. Ein teils bornierter, teils dekadenter Geldadel, für den beispielsweise Lessings "Minna von Barnhelm" erst salonfähig wurde, nachdem eine französische Übersetzung vorlag.
MIETSKASERNEN - KEIN WASSER, KEIN KLO
Hunderttausende schlecht bezahlte Arbeiter fristeten unbeachtet ihr Hinterhof-Dasein. Ob aus den Provinzen Schlesien, Pommern oder Ostpreußen - mit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert überfluteten ausgemergelte, halb verhungerte Tagelöhner, Handwerker und Kleinbauern die Stadt. Die Patzkes, Lehmanns , Schulzes und Maletzkes - die Kleine-Leute Namen - malochten bei Siemens, Borsig und AEG. Berlin wuchs zur größten Industriestadt des Kontinents; auf den Knochen einer Armen-Armee, für die das Leben schwer, das Sterben so einfach war.
VERFLOSSENE JAHRZEHNTE
An die 170.000 Einwohner zählte die Stadt um 1800. eine halbe Million waren es schon 1871, dem Jahr der Reichsgründung, zu Beginn des Zweiten Weltkrieges lebten über vier Millionen Menschen in Berlin. - Erinnerungen an verflossene Jahrzehnte verklären meist den Blick, Realitäten verschieben sich, Nostalgien dominieren. Dokumente hingegen sind unbestechlich. Berlin im Jahre 1846: "10.000 prostituierte Frauenzimmer, 12.000 Verbrecher, 12.000 latitiernde Personen (das heißt Personen, die ihren Aufenthalt vor der Polizei verbergen), 18.000 Dienstmädchen (von denen etwa 5.000 der geheimen Prostitution nachgehen), 20.000 Weber (die bei der Arbeit sämtlich ihr Auskommen nicht finden). 6.000 arme Kranke, 6.000 Almosenempfänger, 3.000 bis 4.000 Bettler, 2.000 Bewohner der Zuchthäuser und Strafanstalten. 1.000 Bewohner des Arbeitshauses, 700 Bewohner der Stadtvogtei (dem Kriminalgefängnis), 2.000 uneheliche Kinder, 2.000 Pflegekinder, 1.500 Waisenkinder; das ist nahe der vierte Teil der Einwohner der ganzen Hauptstadt."
SPEKULANTEN MIT PROFITEN
Die Mietskasernen im Billigbau, ob in Kreuzberg, Wedding, Tiergarten oder Neukölln - sie waren allesamt ein Machwerk profitsüchtiger Hausbesitzer. Korrupte Beamte und skrupellose Spekulanten Repräsentanten dieser Stadt - bereicherten sich auf Kosten der Arbeiter. Sie kassierten Wuchermieten und trieben die Bodenpreise in einsame Höhe. Hier ein Tipp, dort ein Geldschein. Erst dann wurde Bauland ausgewiesen. Um die Jahrhundertwende lagen die Berliner Bodenpreise zehnmal höher als in London. - Da versteht es sich geradezu von selbst, dass für Schulen und Krankenhäuser das Bauland zu teuer war. Wo sollten diese öffentlichen Einrichtungen auch entstehen, wenn nicht in den Hinterhöfen.
"... GEHSTE HALT IN DIE KNEIPE ..."
Über vier Personen lebten durchschnittlich in einem Raum, 13 Prozent aller Arbeiter hausten in Kellern, die sie sich nachbarschaftlich mit Ratten und Mäusen teilten. Licht war Luxus und kam allenfalls aus der Leitung. Die Räume waren nass und kalt. Geheizt wurde übers ganze Jahr. Das Klo lag im Zwischenstock - ein Scheißhaus für die ganze Kompanie. Oder wie Rainer Joedecke in 'Geo' schrieb: "Zum Baden, wenn's mal sein muss, gehst du in die städtische Badeanstalt. Deine Kinder spielen in der Hofgruft unter der Wäsche, zwischen Mülltonnen. Rote Zettel kleben im Hausflur: Du sollst deine Kinder und Hunde vom Rattengift fernhalten. Du bist müde, von der Schicht, die Kinder plärren, der Kerl im ersten Stock prügelt wieder mal seine Olle. Gehst du halt in die Kneipe. Schnaps ist billig und hilft gegen alles ... ... 24 Stunden am Tag hast du Zeit, dein Elend zu ersäufen. Wenn's nicht hilft, kannst du ja immer noch dene Olle verdreschen."
"ZILLE SEIN MILLJÖH"
In der Tat: "Zille sein Milljöh". Wie mühsam es für die Arbeiter war, auch nur die kleinsten Verbesserungen durchzusetzen, belegt ein Schreiben des Herrn Dr. med. Stryck vom 5. März 1887 seines Zeichens Eigentümer des Hauses Adalbertstraße 74, Er beschwerte sich beim Polizeipräsidium, das ihm auferlegt hatte, noch zwei weitere Klos zu installieren. Dr. Stryck im Originalton: "Richtig ist, dass die Mieter von zehn Wohnungen auf je ein Klosett angewiesen sind. Dazu kommt, dass sämtliche männliche Personen ihre Arbeitsstelle außer dem Haus haben, mithin von 5 bis 5 1/2 früh bis 6 1/2 bis 7 Uhr abends nicht zu Hause sind. Diese benutzen also in den seltensten Fällen das Klosett im Hause, da der Stuhlgang meist im Laufe des Tages erfolgt. Dasselbe ist bei den schulpflichtigen Kindern der Fall, die doch meist ihr Bedürfnis in dem Schulgebäude befriedigen. Da die kleinen Kinder gewöhnlich ein Töpfchen zu dem Geschäft benutzen, so bleiben also nur die Frauen übrig, und davon sind in jeder Wohnung durchschnittlich nur eine. Es würden also auf je ein Klosett zehn bzw. elf Personen kommen. Nimmt man aber die doppelte Zahl, also zwanzig Personen an, die ein Klosett benutzen, so können auch hieraus kaum Unzuträglichkeiten entstehen. Denn eine solche Sitzung nimmt im Durchschnitt, incl. Ordnung der Kleider, was bei den Frauen wohl nicht notwendig sein dürfte, 3 bis 4 Minuten oder auch 5 Minuten in Anspruch; rechnet man auf eine Sitzung sogar 10 Minuten, so werden 12 Tagesstunden allein schon Zeit genug bieten zur Benutzung des Klosetts für 72 Personen, wobei angenommen wird, dass jede Person täglich einmal Stuhlgang hat, was bekanntlich bei Frauen nicht der Fall ist, von denen die meisten nur alle zwei bis drei Tage einmal Stuhlgang haben."
OBEN HUI - UNTER PFUI
Auch die pathetisch so gepriesenen zwanziger Jahre änderten nichts an der miesen Lage der Arbeiter. Berlin war oben hui und unten pfui. Über eine halbe Millionen Menschen hatten sich hoffnungslos in ihrem Elend verkrochen - in den Mietskasernen versteckt. Eine Umfrage der AOK aus dem Jahre 1912: "Eine in Berliner Volksschulen unter Kindern von sechs und mehr Jahren durchgeführte Statistik ergab: 70 Prozent hatten keine Vorstellung von einem Sonnenaufgang, 76 Prozent kannten keinen Tau, 49 Prozent hatten nie einen Frosch, 53 Prozent keine Schnecke, 87 Prozent keine Birke, 59 Prozent nie ein Ährenfeld gesehen; 66 Prozent kannten kein Dorf, 67 Prozent keinen Berg, 89 Prozent keinen Fluss. Mehrere Schüler wollten einen See gesehen haben. Als man nachforschte, ergab es sich, dass sie einen Fischbehälter auf dem Markt meinten."
ARME AUS VORPOMMERN - ARME AUS ANTATOLIEN
Sechzig Jahre danach - man schreibt das Jahr 1980. Die Kreuzberger Gneisenaustraße, eine breite Allee mit ausgewachsenen Kastanienbäumen in der Fahrbahnmitte. Typische Berliner Hinterhöfe. Die dreckigste Bruchbuden haben die Deutschen inzwischen verlassen, Türken zogen dort ein. Den Armen aus Pommern, Vorpommern, Schlesien und Ostpreußen folgten die Armen aus Anatolien. Eine unscheinbare Gesetzmäßigkeit.
KREUZBERG HEISST "KLEIN ISTANBUL"
Kreuzberg heißt "Klein Istanbul" oder "Klein Ankara". Jedes viertes Kind ist türkisch, über 80.000 Ausländer leben schon über Jahre in diesem ausgegrenzten Getto; nicht selten mit acht oder mehr Personen in einer Drei-Zimmerwohnung. Vor der Eingangstür der Hausnummer 60 spielen türkische Mädchen "Hinkefuß" auf dem Trottoir, Frauen stricken auf den Fensterbrettern. An der Hausmauer lehnt ein Mittvierziger, der den Schnaps wie Limonade trinkt und Unverständliches über den Fußball-Bundesliga-Absteiger Hertha BSC stammelt. Im Hausflur riecht's nach Katze, Knoblauch und Bratkartoffeln. Die an der Wand angebrachte Namenstafel ist als Wegweiser gedacht. Wer zu Asragus will, kann gleich vorne rechts die Treppe benutzen.
SPONTIS, VERWEIGERER, AUSSTEIGER
Wer zu den Wohngemeinschaften, zu den Spontis, Alternativlern, Verweigerern oder Aussteigern will, muss in der Gneisenaustraße, Hausnummer 60 , automatisch über den Hinterhof und dann fünf Stockwerke hoch. Vorbei an ausgebrannten Mopeds und einem ausgeschlachteten Lloyd, an Plastiktüten voller Industriemüll, leeren Flaschen und ausgelatschten Schuhen. Aus den Treppen sind schon einige Stiegen herausgerissen, die Flurbeleuchtung funktioniert nicht. Wie im vergangenen Jahrhundert gibt's auf jedem zweíten Stockwerk das obligate Scheißhaus; Duschen waren und bleiben Prívat- und damit Glückssache.
PARADOXIEN DIESER ZEIT
Paradoxien unserer Epoche. Vor allem Jugendliche aus dem Wohlstands-Deutschland zieht es nach Kreuzberg. Junge Menschen, die Not und ihre Linderung nicht kennengelernt haben, dafür aber Auto, Stereo- oder später auch die CD-Anlage ihr eigen nennen können, die in einem nie da gewesenen Überfluss aufwuchsen und dennoch die Wegwerf-Gesellschaft ablehnen, die suchen hier ihren unverwechselbaren Geruch - Stallgeruch. Ihre Lebensphilosophie: "Ob Sonnenschein oder Regen, wir sind dagegen" - "Kein Schwanz ist so hart wie das Leben" - "Was ist das für ein Land, in dem morgens um sieben die Sonne aufgeht".
PUFFS UND PORNOS
Ein bunt zusammengewürfeltes Völkchen prägt heute das Elendsquartier von einst. Zu ihm gehören alte, gebrechliche Endsiebziger aus Anhänglichkeit oder weil ihnen die Ein-Zimmer-Neubauwohnung im Norden der Stadt zu teuer ist. Aber auch düstere Bars mit Billardtischen, Puffs und Pornos, Oma-Kneipen, in denen alte Leute nachmittags auf dem Plüschsofa Schultheiss-Bier oder Kognak trinken und dabei unentwegt schwatzen. Spielhallen mit Flipper und Kicker liegen gegenüber der Mauer, Krämerläden gibt es an jeder Ecke, Kartoffelläden zum Beispiel, in denen es nur Kartoffeln und Zwiebel gibt. Einige Straßenzüge sind fest in türkischer Hand - türkische Geschäfte, Kneipen und Moscheen, Schleier und Turbane auf den Bürgersteigen. Trotzdem streunt noch ein Straßenkläffer durch die Gegend, der so gar nichts Orientalisches an sich hat, vielmehr an die fünfziger Jahre erinnert, an die Familienbadetage in der aufgestellten Zinkwanne - der deutsche Spitz.
HUNGERBLOCKADE, VOLKSAUFSTAND
Die Schlagzeilen, die Kreuzberg nun seit einigen Jahren hergibt, sind symptomatisch für Berlin. Vorbei sind die Zeiten, als die Stadt im Mittelpunkt internationaler Krisen stand; Hungerblockade der Sowjets 1948/49, der Volksaufstand 1953 in Ostberlin, der Mauerbau aus dem Jahre 1961. Die sozialliberale Ostpolitik der Regierungen Brandt/Scheel und Schmidt/Genscher (1969-1982) nahm dem Berliner die seit Jahrzehnten aufgeladene Angespanntheit. - Endzeit-Stimmungen. Zudem sicherte das Vier-Mächte-Abkommen von 1972 endlich die Bindungen zur Bundesrepublik ab, das Chruschtschow-Ultimatum war vergilbt, die Stadt hatte nun die lang ersehnte Ruhe, sich selbst zu finden.
SCHWERMUT, NÖRGELEIEN
Aber ausgerechnet in dieser Phase, als Ost und West einmal übereinstimmten, dass "die Lage Westberlins seit dem Kriege noch nie so gut gewesen war", schlug die Stimmung schlagartig um: Schwermut, Lebenspessimismus und Nörgeleien - die Berliner begannen zu säuern. Exemplarisch eine Zeitungskarikatur: Zwei Alte gehen durch den Wald, er sagt zu ihr: "Findeste nich ooch, Cläre, selbst det Laub raschelt nicht mehr wie früher."
SELBSTWERT-VERLUSTEN
War ihr Leben nicht erträglicher geworden? Konnten die Berliner nicht jetzt ihre Verwandten in der DDR besuchen - und das dreißig Tage im Jahr? Oder leiden die Berliner seither an Selbstwertverlusten, stört sie gar die Langeweile? Etwa so, wie es Cyrus Sulzberger in der "New York Times" formulierte: "Westberlin, das berühmteste Symbol der westlichen Welt im letzten Viertel unseres Jahrhunderts und ein Leuchtturm der Freiheit in der geografischen Mitte des kommunistischen Europas, scheint verurteilt, in der Versenkung der Geschichte zu verschwinden - und es gibt vermutlich nichts, um das zu verhindern."
SMOKING-EMPFÄNGE, SCHLOSS BELLEVUE
Allzu lange vermischten Westberliner Politiker Entspannungsfortschritte mit ihren Hauptstadt-Sehnsüchten, verwechselten sie den ungehinderten Zugang mit Smokíng-Empfängen im Schloss Bellevue, dem Sitz des Bundespräsidenten. Berlin wollte sich erst gar keine Atempause gönnen. Alte Botschaftsgebäude, Speers albtraumhafte Architektur, Autoparkplätze und Gedenktafeln verführten die Stadt zu gigantischen Höhenflügen. Fortan sollte Berlin
0 Drehscheibe zwischen Ost und West,
0 internationales Luftverkehrskreuz,
0 Sitz ständiger Einrichtungen der Konferenz für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa,
0 Kontaktstelle der Europäischen Gemeinschaft
zum COMECON,
0 Sitz von Unterorganisationen der UNO sein.
Eben eine Stadt, die nur den internationalen Zuschnitt duldet. Darin waren sich im Berliner Abgeordneten-Haus alle einig - von der CDU bis zur SPD. Es blieb schließlich Egon Bahr, dem Architekten der Ostverträge vorbehalten, die Größenordnung zu bestimmen. "Da kann ich nur sagen: Meine Stadt ist provinziell geworden. Damals war ja noch ein Rest von Größe in den Trümmern. Fratzenhaft, aber furchtbar herausfordernd."
LANDFLUCHT, KAPITALFLUCHT ... ...
Erst allmählich und zudem unwillig erkannte Westberlin seine eigentliche Herausforderung. Der Kalte Krieg hatte über Jahre innerstädtische Probleme zugeschüttet. In Wirklichkeit war Westberlin Anfang der siebziger Jahre nicht in der Lage, auch nur halbwegs mit einer westdeutschen Großstadt zu konkurrieren. Die Aufsichtsräte renommierter deutscher Unternehmen hatten der Stadt bereits während der Blockade den Rücken gezeigt, beim Chruschtschow-Ultimatum folgten ihre Vorstände, nach dem Bau der Berliner Mauer zogen die Konzerne auch ihre Forschungs- und Entwicklungsstäbe ab. Verschollen war auch das Großbürgertum, jene 150 reichen Familien, die ihr Kapital in der Schweiz, Lichtenstein und in der Bundesrepublik anlegten.
... ... NUR ARBEITER BLIEBEN UND WURDEN ENTLASSEN
Es blieben die kleinen Leute, Hilfsarbeiter, Arbeiter, Putzfrauen, Dienstpersonal. Zwischen sechs und sieben bevölkern sie die Straßen, fahren die U-Bahnen in Zwei-Minuten-Abständen zum "roten Wedding", wo AEG, Schering ind Schwartzkopff produzieren. "Wer nie bei Siemens war, bei AEG und Borsig, der weeß noch nich, was Arbeit heißt, der hat noch manches vor sich", sagten einmal die Akkordwickler der AEG-Brunnenstraße.
KONKURSE ÜBER KONKURSE
Die Schlagzeilen des Jahres 1979 hingegen sollten noch ungeahnt und unvorhersehbar die wirtschaftliche Lage kommender Jahrzehnte bestimmen: AEG entlässt jeden dritten Arbeitnehmer. - Kerzenfirma Scheidemantel feuert die letzten hundert Beschäftigten. - Konkurs der Raebel-Werke, wo ist das Urlaubsgeld der Arbeiter geblieben? - Krupp verkauft Berliner Werk, Unklarheit über Arbeitsplätze. - Massenexodus bei Phillips.
FRIEDHOFSRUHE IN FABRIKEN
Die Bilanz im Jahre 1980: In zwei Jahrzehnten sind 130.000 Arbeitsplätze wegrationalisiert worden; die Einwohnerzahl von Darmstadt. Friedhofsruhe überschattet manche traditionsreiche Fabrikhalle. Anfang der sechziger Jahre hatten noch 300.000 Menschen einen Industriejob, inzwischen sind es nur noch knapp 170.000. Nicht spektakulär, eher leise und unscheinbar sieben die Betriebe ihre Arbeiter aus. Ein Indiz dafür sind die vielen Verhandlungen, vor den Arbeits- und Sozialgerichten. In 3.200 Verfahren im Jahre 1978 erstritten die Gewerkschaften 13 Millionen Mark für ihre Mitglieder.
FÖRDERUNG EINKASSIERT
Dabei kassieren Großunternehmer jährlich stattliche 15 Milliarden Mark an Berlin-Förderung, subventioniert Bonn den Senatshaushalt mit 54 Prozent. - Gewiss, Berlin wäre ohne Bundeszuschüsse nicht lebensfähig, ein politischer Preis, der die Industrie-Investitionen im Jahre 1979 gar auf 1,3 Milliarden Mark klettern ließ. In Wirklichkeit aber wird die Berlin-Förderung "als Honorar für Arbeitsplatzvernichtung missbraucht", mutmaßt Berlins gestrenger IG-Metall-Boss Horst Wagner (1980-1989).
AUFSTIEG ZUR PROVINZ
Daran ändert auch das 14-Punkte-Programm des Westberliner Senats wenig oder gar die 40 Berlin-Beauftragten bundesdeutscher Konzerne. Hinter den viel versprechenden Begriffen wie Industrieansiedlung, Forschung und Entwicklung, Technologie und Innovation, verbirgt sich eine schamlose Subventionsmentalität. Längst liegen wissenschaftliche Gutachten vor, die unzweifelhaft belegen, wie kurzatmig und perspektivlos die Wirtschaftspolitik dieser Stadt angelegt ist. Doch Berlin leistete sich einen liberalen Wirtschaftssenator, der brisante Expertisen, wie die der Baseler Prognos AG (Kostenpunkt: 337.000 Mark), erst einmal monatelang unter Verschluss hält. Einfach deshalb, weil ihm das Prognos-Ergebnis mehr als unangenehm ist. Und wenn schon mal öffentlich debattiert wird, dann bestimmt ein seltsamer Kammerton die Diktion. Eine verquere Mischung aus Wehleidigkeit und Unvermögen saß da auf den Parlamentsbänken im Berliner Abgeordnetenhaus. Gegensätze zwischen SPD/FDP Senat und einer ausgelaugten, über Jahre vermiefte CDU-Opposition zerflossen bis zur Unkenntlichkeit; sind sie nicht doch alle Berliner, stolz auf diese Stadt, ab und zu auch trübsinnig an der Mauer, "die oft auch die Grenze ihres Horizonts ist", bemerkt Michael Pagels (DGB-Vorsitzender 1982-1990). Berlins einsamer Aufstieg zur Provinz.
WENIG MENSCHEN - SATTE GEWINNE
Wie Steuermilliarden verschleudert werden, beweist ein Forschungsbericht der Technischen Universität (TU) Berlin:
0 Fast 30 Prozent des gesamten Industrieumsatzes entfällt auf die Herstellung von nur zwei Produkten. Zigaretten und Kaffee. Durch rationelle und hoch automatisierte Produktionsverfahren sind dafür aber nur 2,5 Prozent (5.000) aller in der Berliner Industrie beschäftigten Arbeitskräfte notwendig. Einst im Jahr 1977 wurde diesen beiden Branchen eine Umsatzsteuerpräferenz in Höhe einer Viertel Milliarde Mark gewährt. Das bedeutet: Für jeden Arbeitsplatz brachte der Staat 110.000 Mark auf.
0 Im Jahre 1962 erhielt die Zigarettenindustrie in Berlin mit ihren 4.300 Beschäftigten genauso viel Umsatzsteuervorteile wie die gesamte Berliner Elektroindustrie mit ihren 112.500 Arbeitnehmern. In den ersten zehn Jahren ihrer Kapazitätsverlagerung nach Berlin konnten die fünf Zigarettenkonzerne etwas mehr als eine Milliarde Mark nur an Umsatzsteuerpräferenzen einstreichen. Damit hätten sie beispielsweise ihre Löhne und Gehälter (300 Millionen Mark) finanzieren können, wenn sie diese Kosten nicht schon über ihre Zigarettenpreise kalkuliert hätten.
0 Seit dem Jahre 1977 ist Berlin mit 37 Prozent Deutschlands größter Kaffeeplatz. Durch geschickte steuerrechtliche Firmenkonstruktionen verdienen die beiden großen Kaffeeröster gleich zweimal: an der Hersteller- und an der Abnehmerpräferenz.
0 Auch für die Süßwarenbranche erwies sich Berlin als attraktiver Standort. Der Steuerzahler musste ihre 522 Arbeitsplätze allein im Jahre 1977 mit 55 Millionen Mark subventionieren - pro Arbeitsstelle mit 106.000 Mark
BERLIN-FÖRDERUNG
Die Philosophie der Berlin-Förderung, so das Gutachten: "Je kapitalintensiver die Produktion, das heißt je geringer der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft ist, desto größer der Steuervorteil." Ob die Baseler Prognos Studie oder die Expertise Berliner Wissenschaftler: Unabhängig voneinander prophezeiten sied einen weiteren Rückgang der Industriebeschäftigung. In Zahlen: Danach werden bis 1985 nochmals 28.000 Arbeitsplätze vernichtet sein.
FANTASIE AUSGEGANGEN
Bereits vor drei Jahren kritisierte der einstige Vorsitzende der IG-Metall, Eugen Loderer (*1920+1995), "die kurfristigen unternehmerischen Interessen und die damit verbundenen Subventionsmentalitäten". Ein Memorandum der Berliner Gewerkschaften aus den späten siebziger Jahren appellierte eindringlich an den Senat, die Struktur-Probleme anzupacken. Die DGB-Forderung: "Steuerliche Vorteile sollen künftig nur noch dann gewährt werden, wenn Arbeitsplätze erhalten bleiben und möglichst neue dazukommen. Den Unternehmen weiterhin blind zu vertrauen, indem auf die selbstheilenden Kräfte der Marktwirtschaft gesetzt wird, ist für den DGB Berlin keine akzeptable Politik." - Allerdings für den früheren liberalen Wirtschaftssenator Wolfgang Lüder (1975-1981): Er will "Ruhe an der Förderfront". wittert er doch hinter den DGB-Vorstellungen gleich verkappte Investitionslenkungen aus dem linken SPD-Lager.
KEINE STINK-NORMALE STADT
Berlin in den achtziger Jahren - "das ist keine stinknormale Stadt, noch nicht einmal eine normale Großstadt", orakelte der damals Regierende Bürgermeister Dietrich Stobbe (1977-1981). Berlin '80 - "das war doch hier schon immer eine dörfliche Veranstaltung", befindet er FDP-Abgeordnete Volker Hucklenbroich (*1925+2004) . Berlin '80 - "es ist, als ob das 20. Jahrhundert über keine Fantasie mehr verfüge, als ob unsere Politiker und Architekten nichts mehr auszusagen hätten, als ob unsere Universitäten und Hochschulen nur noch Technokraten herausgebracht hätten", bemängelt der ehemalige FDP-Justizsenator Hermann Oxfort (*1928+2003).
KLEINKRAM - ÜBERALL KLEINRAM
Eine Stadt erstickt im Kleinkram. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht her ein "Skandal" , dort ein "Skandälchen" hochgeblasen wird. Von den 1.894 Opernplätzen beispielsweise sind 620 ständig reserviert. Freilich kostenlos, ein Selbstbedienungsladen für Spitzenbeamte, Chefärzte, Wissenschafts-Elite und natürlich Politiker aus allen Parteien inklusive ihrer Mätressen. Rekorddefizit des Hauses an der Bismarckstraße: 49 Millionen Mark. Da streiten sich die Honoratioren zu prominenten Sendezeiten im Funk und Fernsehen über die rechte Dosis Tausalz, über die Müllabfuhr, über Pöstchen wie Posten und neuerdings sogar über den frisch gekürten "Rockbeauftragten des Senats von Berlin". Es wird Zeitgeschichtlern späterer Jahre vorbehalten sein, Dekadenz und Zerrissenheit dieser Epoche qualitativ einzuordnen.
BERLINER "KLÜNGEL" UND KEIN ENDE
Wo immer in Westberlin Probleme auftauchen, etwa in der Stadtsanierung, im Wohnungsbau oder bei den Altbaumieten, wo immer Beschlüsse gefasst werden müssen oder Verantwortlichkeiten da zu sein hätten, eines passiert mit chronischer Sicherheit: Gremien werden berufen, die ihrerseits Parlamentsausschüsse zugeordnet sind, mit denen sich wiederum die Behördenchefs umgeben. Oft werkelt im Schöneberger Rathaus eine heimliche Allparteien-Koalition herum, werden konfliktträchtige Entscheidungen liegen gelassen oder zerredet. - Die Verschmelzung zwischen Amt und Mandat, zwischen Exekutive und Legislative ist total; Ämtergeschachere, Ämterpatronage, Posten um Pöstchen.
EINE STADT VEREINSAMTER MENSCHEN
Dabei verlassen jährlich etwa 80.000 Menschen Westberlin. Fast eine halbe Million Einwohner ist älter als 65 Jahre; der Anteil der alten Menschen an der Bevölkerung ist hier um die Hälfte höher als in anderen Städten. Auf 18.000 Geburten im Jahr kommen 39.000 Tote. Bis 1990 wird die Einwohnerzahl um gut 250.000 sinken, wird die durchschnittliche Altersstruktur der des Bundesgebietes angepasst sein.
BERLIN - AUSLÄNDER-METROPOLE
Aber da sind ja noch die Ausländer. Von Gastarbeitern zu sprechen, wäre nicht korrekt, denn Gäste kommen und gehen. Die 220.ooo Türken, Italiener, Griechen, Serben und Kroaten - die werden bleiben. Ihnen ist es verdanken, dass sich Berlin heute noch eine "Zwei-Millionen-Metropole" nennen darf.
MITTELSTANDS-UNMUT
Zu Beginn des laufenden Schuljahres meldeten sich 500 türkische Mädchen und Jungen mehr zum Unterricht an als Statistiker errechnet hatten. So sind die Kreuzberger Grundschulen hoffnungslos überfüllt. In den sogenannten 'bürgerlichen" Gegenden Charlottenburgs und Zehlendorfs, dort wo die Professoren dieser Stadt in ihrer Milieudichte noch sonntägliche Hauskonzerte betulich zelebrieren, da regte sich der Mittelstands-Unmut, als dort erstmalig ein türkisches Kinderkontingent den Schulhof betrat. Überall dort, wo Ausländer massiert auftreten, äußert sich unterschwellig Feindseligkeit, werden vergessen geglaubte Ressentiments wach - und Westberlin ist eine ihrer Hochburgen. Denn jeder zehnte Einwohner gilt als Ausländer, auch wenn er seit Jahrzehnten an der Spree lebt, seine Kinder geboren wurden.
"TÜRKEN SIND PENNER"
"Türken raus" kritzelten Einheimische an ihre Pissecke. "Türken sind Penner", sagt Alfons, der Taxifahrer. Und Penner ist das schlimmste Schimpfwort zwischen Kreuzberg und Wedding. Die Folge: Gettos entstehen, weil sich eingefleischte Vorurteile und Berührungsängste einander abwechseln. Für Touristen-Unternehmen allerdings sind Gettos im uniformierten Deutschland interessant, man wenigstens eine Sightseeing-Tour durch Kreuzberg Exotik versprechen, und ein Blick über die düstere Mauer inbegriffen. Jedenfalls kurven tagtäglich fortwährend Doppeldeckerbusse durch die Naunynstraße, dass sie nunmehr eine Sackgasse hergibt. Auch für die SPD, die gerade dort ihren traditionsreichen Ortsverein auflösen musste - zu viele Türken, zu wenig Sozialdemokraten Berliner Prägung aus dem ehedem legendären Facharbeiter-Milieu.
WAS NUN BERLIN ?
Berlin, was nun? Negativ-Schlagzeilen sind der Stadt allemal sicher. Und dennoch sagen ihre Zukunftsforscher eine positive Entwicklung voraus. Hans Buchholz, Geschäftsführer der Gesellschaft für Zukunftsfragen, glaubt:
0 Verschiedene Berliner Stadteinheiten, die räumlich und historisch gewachsen
sind, werden zu Stadtinseln gruppiert,
0 Natur- und Grünstreifen trennen diese Stadtinseln stehen "Mobile Homes" als
Alternative zum innerstädtischen Wohnen. In diesen Grüngürteln gibt es Sport,
Erholungs- und Freizeiteinrichtungen sowie Schrebergärten.
IM DRITTEN JAHRTAUSEND
Berlin, am Anfang des dritten Jahrtausends, wird eine Metropole mit der modernsten Technologie sein. Kabelfernehen, Satelliten-Anschlüsse, sind selbstverständlich. Lokalprogramme senden rund um die Uhr, DSL-Internetverbindungen, On-line Einkäufe gehören zum Alltag. Fernheizungen versorgen alle Wohnungen, Solardächer. Die U-Bahn fährt nur noch computergesteuert. Das Benzinauto ist aus der City verbannt und durch Elektrocars ersetzt. Ein großer Teil der Straßen ist in Fußgängerbereiche umgewandelt - auch der Ku'Damm. Windräder und Sonnenkollektoren zieren die Dächer. Die Energieversorgung der Stadt ist rationell und vorbildlich. Die Stadtsanierung wird im Jahr 2005 abgeschlossen sein. Die Ästhetik des Stadtbildes ist erhalten, wenn nicht verbessert.
DDR-NAHERHOLUNG
Vielleicht können schon in zehn bis zwanzig Jahren Westberliner in DDR-Naherholungsgebieten ihr Wochenende verbringen, wird der berüchtigte Wannseekoller eine vage Erinnerung sein. Und schon wieder gibt es wieder Bonner Politiker, die sich für Westberlin verheißungsvolle Zukunftsvisionen ausmalen, gar ins Schwärmen geraten. Westberlin, eine internationale Drehscheibe in der Ost-West-Beziehung, eine zollfreie Stadt, ein Messezentrum. ein Umschlagplatz der Konsumgüterindustrie. Profitieren sollen sie alle von dem neuen Handelsplatz, die Comecon-Staaten ebenso wie die EU-Länder. Wird Westberlin eines Tages wieder Hauptstadt mit Regierung und Parlament? Das wohl nicht oder dann doch? Und wenn, dann nur eine europäische, eine multikulturelle Metropole verschiedener Sprachen, Ansichten, Eigenarten, Temperamenten Lebensansprüchen - Lebensgewohnheiten.