Donnerstag, 6. September 1973

Deutsche Männer in Afrika - Entwicklungshilfe und Sex-Triebe. Die teuren Hobby des Herrn Doktor - Alltag in Gabun




























----------------------------
stern, Hamburg
6. September 1973 /23. März 2009
von Reimar Oltmanns
----------------------------

Regierungsdirektor Hans Kirchhof vom Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) war zufrieden: "Diese Art von Entwicklungshilfe in armen Länder ist wichtiger als Fabriken zu bauen." Sein Lob galt einem Plan der sozialliberalen Bundesregierung (1969-1982), der die zahnmedizinische Versorgung im zentral-afrikanischen Staat Gabun sicherstellen sollte. Der Staat Gabun liegt an der westlichen Atlantikküste Zentralafrikas, hat 1.424.906 Millionen Einwohner. In einem Land, in dem immerhin 86 Prozent aller Geburten medizinisch betreut werden können, galt es nunmehr der brachliegenden Zahnmedizin zum Durchbruch zu verhelfen - den "Gabunesen in ihre Mäuler zu schauen" (Kirchhof).
ALBERT SCHWEITZER - EIN VORBILD
Dabei ließ sich Hans Kirchhof mit seinen Mannen am Reißbrett im Ministerium und Vorort im Busch von keinem anderen Vorbild leiten als von dem evangelischen Theologen, Philosophen und Arzt Albert Schweitzer (*1875+1965). Er hatte bereits im Jahre 1913 an einem Fluss der afrikanischen Westküste, beispielgebend das Urwaldhospital Lambaréne gegründet. Dieses Image aus früheren Jahren galt es aufzufrischen, nachzueifern, für sich politisch einzuspannen - mit dem "Markting-Produkt" Albert Schweitzer (Friedensnobelpreisträger (1952) im Hintergrund.
GRÖSSTE PLEITE
Doch inzwischen ist das ehrgeizige Prestige-Projekt zur bisher größten Pleite der Entwicklungshilfe von SPD-Minister Erhard Eppler (1968-1974) geworden. In vier Jahren "Aufbauarbeit" sind eine Millionen Mark und Spendengelder verpulvert worden. Statt der vorgesehenen 20 modernen Behandlungsstationen gibt es lediglich drei Zahnkliniken, die mit primitiven Mitteln arbeiten müssen. Die Schuld an dieser Misere trägt der Arzt und Afrika-Experte Dr. Hans-Günter Hilgers, dem das Ministerium zu lange vertraut hatte. Jahrelang gaben sich Epplers Beamte mit frisierten "Erfolgsberichten" aus Gabun zufrieden statt Hilgers Tätigkeit vor Ort zu überprüfen. Erst als Hilgers Kollegen in Gabun, Michael Heinze und Dr. Joachim Gantzer, auspackten, flog "der Schwindel" (Heinze) auf. Der Arzt wurde gefeuert.
EIN ZAHNARZT AUF 30.000 MENSCHEN
Projektleiter Hans-Günter Hilgers hatte sich nur wenig um Gabuns Bevölkerung gekümmert, wo auf 30.000 Menschen nur ein Zahnarzt kommt. In den drei Kliniken wurden durchschnittlich nur drei bis sieben Patienten am Tag verarztet. Und das nur notdürftig, weil es schon an den einfachsten zahnmedizinischen Handwerkszeugen fehlte. Entwicklungshelfer Michael Heinze: "Die Zähne mussten wir bei Taschenlampenlicht ziehen." In vier Jahren wurden auf den drei Stationen lediglich acht Wurzelfüllungen vorgenommen, jedoch 1.236 Zähne gezogen.
SÜSSE LEBEN DES DOKTORS
Dr. Hans-Günter Hilgers zog seinen ärztlichen Pflichten das süße, exotische Leben unter Palmen mit vielen Frauen-Brüsten vor. Für derlei Lebenswandel schwatzte der passionierte Sportflieger den Bonner Bürokraten das Geld für den Kauf einer zweimotorigen Sportmaschine vom Typ "Piper Aztec" ab. Joachim Gantzer: "Hilgers verschwendet die Steuer- und Spendegelder, um seine Begierden, seine Sucht nach Sex zu befriedigen. Das Flugzeug ist Luxus, denn unsere drei Stationen in Libreville (578.000 Einwohner), Lambaréne und Mouila sind mit Linienmaschinen gut zu erreichen." Inzwischen hat auch Erhard Epplers Ministerium eingesehen, dass diese Anschaffung sinnlos war. Seit Dezember 1972 steht das Flugzeug unbenutzt herum.
NEUE AUTOS VERROTTEN
Auch für den Erwerb von Fahrzeugen saß das Geld aus dem Entwicklungshilfe-Etat locker. "Drei Autos und ein Klinomobil stehen auf einen Bauplatz in Libreville und verrotten",spottet Entwicklungshelfer Heinze. Projektleiter Hilgers prahlte dagegen: "Wir werden am Unabhängigkeitstag (17. August 1960 von Frankreich) mit allen Wagen vor dem Präsidenten vorbeidefilieren." Männer-Stolz in Afrika.
VORLIEBE FÜR SCHWARZE FRAUEN
Doch mittlerweile - gerade über Nacht passiert - legt Gabuns Regierung auf deutsche Parade-Begleitung keinen Wert mehr. Sie ist auf den deutschen Entwicklungs-Experten nicht mehr gut zu sprechen. Hilger Vorliebe für schwarze Frauen, sie wie "Frischfleisch zu behandeln und zu vögeln" ( Michael Heintze), hat ihn in Verruf gebracht. Denn drei seiner Lehrmädchen hatten sich einem Protestschreiben an den deutschen Botschafter Otto Wallner beschwert, der Zahnarzt habe sie zur Liebe gezwungen. Beatrice Idela Tieko in einem Brief an Wallner: "Im Dschungel hat er mich mehrere Male vergewaltigt. Er sagte zu mir: Wenn du nicht willig bist, musst du von der Klinik weggehen. Hier machen alle Mädchen die Beine breit, wenn ich das will." Marie-Odette Mounanga: "Er behandelt mich wie eine seelenlose Sklavin. Er will immer nur, dass ich auf die Knie gehe, damit er mich von hinten stossen kann. Dabei zieht er nicht einmal seinen weißen Kittel aus." Dazu Zahnarzt Hans-Günter Hilgers abwehrend : "Alles Verleumdungen, um Geld zu kassieren, weiter nichts."
SEX-TRIPPS AUS DEM REGIERUNGS-CLAN
Gleichwohl schaltete sich mittlerweile Gabuns Regierug ein; ungewöhnlich für derlei Sexual-Vorkommnisse. Doch spätestens als sich Hilgers sich bei seinen manischen Sex-Tripps auch noch unbedacht an das Lehrmädchen Augustina Mboumba, eine Verwandte des Außenministers, heranmachen wollte, verlangte Außenminister Georges Rawiri (*1932+2006) verlangte vom deutschen Botschafter die sofortige Ablösung des Projektleiters. Aufgebracht, beleidigt, in seiner Ehre gekränkt, schleuderte er Botschafter entgegen: "Frauen kann er in Deutschland vergewaltigen, hier bei uns in Gabun niemals." Der Diplomat erwiderte: "Auch in Deutschland geht das nicht mehr ohne weiteres. Da sind bald die Feministinnen an der Macht. Und die schneiden ihm kurz mal den Schwanz ab." Deutsche Regierungs-Gespräche in den siebziger Jahren in Zentral-Afrika.
"WIR SIND DOCH ALLE MÄNNER"
In Wirklichkeit hatte der Diplomat versucht, durch sein vordergründiges Eingeständnis die Affäre herunterzuspielen. Entwicklungshelfer Michael Heinze weiß auch warum. Die siebziger Jahre waren nämlich weltweit noch keine autonome Frauen-Jahre auf dem Weg zu ihrer Würde, Gleichberechtigung, Frauen-Wahrnehmung, Männer-Anstand. "Der Botschafter sagte mir: 'ob in Europa oder in Afrika, nun wir sind doch alle Männer. Und ich möchte wissen, welcher Zahnarzt in Deutschland nicht mit seiner Helferin schläft.' " - Seit dem Jahre 1998 ist der Tatbestand der Vergewaltigung immerhin ein besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung. Hat der Täter (erniedrigende) sexuelle Handlungen an dem Opfer vorgenommen ... ... lautet der Urteilstenor auf Verurteilung wegen Vergewaltigung. Der Strafrahmen sieht (regelmäßig) Freiheitsstrafe von mindestens zwei und höchstens 15 Jahren vor. - Fortschritt.