Donnerstag, 25. Januar 1973

Die Politik-Karriere des SPD-Genossen Karl Wienand: Geldgier pflastert seinen Weg - Betrug, Bestechung, Spionage



















Ein "vaterlandsloser Geselle" zu Bonn - Karl Wienand (SPD-MdB 1953-1974) war als parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion der Vertraute von Bundeskanzler Helmut Schmidt und Fraktionschef Herbert Wehner in den siebziger Jahren; eine Art Schaltzentrale im Machtapparat am Rhein. Er war überall dabei, wenn es um hochbrisante Entscheidungen ging, zog verschmitzt die Fäden. Dabei steckte sich Wienand Millionen-Beträge aus dunklen Kanälen zunächst unbemerkt in eigene Taschen. Allein von der DDR-Staatssicherheit kassierte er für seine Spionage-Tätigkeit einen Agentenlohn von 1,5 Millionen Mark. - Partei-Karrieren

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stern, Hamburg
25. Januar 1973
von Reimar Oltmanns
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Der Arbeitersohn und SPD-Politiker Karl Wienand aus den einfachsten Verhältnissen kommend wurde im Jahr 1926 in Lindenpütz im Westerwald geboren und starb im Jahr 2011. Nach dem Studium von Jura und Volkswirtschaft begann Wienands berufliche Laufbahn beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Mit 26 Jahren saß er als jüngster Abgeordneter für die Sozialdemokraten bereits im Deutschen Bundestag. Von März 1967 bis Ende August 1974 war Karl Wienand einflussreicher Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion; Herbert Wehners (*1906+1990 ) Vertrauens-"Mann für heikle Fälle". Nach Ansicht des Historikers Arnulf Baring zählte Wienand zum Kernbereich der SPD/FDP-Koalition (1969-1982), zur Handvoll ihrer wichtigsten Figuren" in der Republik.
LOBBYIST FÜR CHARTER-FLUG
Im Jahre 1971 wies der stern dem SPD-Fraktionsgeschäftsführer Karl Wienand nach, als Lobbyist der inzwischen pleite gegangenen Charterfluggesellschaft Paninternational hohe Geldsummen eingeheimst zu haben. Doch erst jetzt - mit 15 monatiger Verspätung - beginnen die Sozialdemokraten allmählich Konsequenzen aus dem peinlichen Fehlverhalten ihres Spitzen-Genossen zu ziehen.
PARISER PARKETT
Noch während sich Karl Wienand auf dem Pariser Treffen der Sozialistischen Internationale als Abgesandter Willy Brandts (Präsident 1976-1992) im Kreise der Parteiführer wichtig vorkam, ging es ihm an der politischen Heimat an die Substanz. Auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen SPD in Essen sprachen ihn Dreiviertel der Delegierten das Misstrauen aus und wählten ihn als Mitglied im Landesvorstand ab - zum Abschuss freigegeben. Wienand-Freund und SPD-Bundestagsabgeordneter Bernhard Bussmann (1969-1980): "Die Paninternational-Affäre hat ihre Spuren hinterlassen. Für Karl ist es schwer, in der Partei wieder Fuß zu fassen."
OPERATION: "VERSCHLIMMBESSERN"
Bussmann wird recht bald behalten. Schon im März 1973 will die vom Düsseldorfer Ministerpräsidenten Heinz Kühn (1966-1978 ; *1912+1992) angeführte Anti-Wienand-Fronde zum nächsten Schlag ausholen und den ins Zwielicht geratenen treuen Gehilfen des SPD-Fraktionschefs Herbert Wehner (1969-1983) als Vorsitzenden des mitgliederstarken Parteibezirks Mittelrhein ablösen. Sein Nachfolger soll der Bonner Parteifunktionär Rudi Maerker (Stasi-Informant aus dem SPD-Apprate 1968-1987) *1927+1987) werden. - Auch dieser Journalist genoss das besondere Vertrauen der SPD-Spitze um Willy Brandt und Herbert Wehner.
HARTGESOTTENE OPPORTUNISTEN
Einen Monat später auf dem Bundesparteitag der Sozialdemokraten in Hannover (10.-14. April 1973) , soll Karl Wienand auch seinen Sitz im Parteivorstand verlieren. Als Gegenkandidat steht der profilierte Parteilinke und niedersächsische Kultusminister Peter von Oertzen (*1924+2008) bereits fest. Der Juso-Vorsitzende Wolfgang Roth (1972-1974) ist siegessicher: "Wenn Wienand in Hannover kandidiert, gibt es Krach. Außer einigen hartgesottenen Opportunisten stimmt in der Partei keiner mehr für ihn."
SCHÄRFSTE RIVALEN
Aber nicht nur in der Partei , auch in der Bundestagsfraktion muss Karl Wienand um seine politische Existenz arg kämpfen. Die Hinterbänkler mit dem einflussreichen Minister für innerdeutsche Beziehungen Egon Franke (1969-1982: *1913+1995) an der Spitze haben ihn als Verbündeten fallen gelassen und ihm ihre Unterstützung für eine neue Kandidatur als Fraktionsgeschäftsführer aufgekündigt. Sein schärfster Rivale in der Fraktion ist der bayerische Landgerichtsrat und Abgeordnete Hans de With (1969-1994). Als Vize-Vorsitzender des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses "Pan International" (1972-1974) zählte de With zu jenen unbeirrbaren Volksvertretern, vor denen sich Wienand mit seinen Machenschaften, Absprachen und Berater-Verträgen zu verantworten hatte. Hans de With: "Ich kann Wienands Akten sehr genau."
SCHUTZPATRON WEHNER
Obwohl Karl Wienand mit dem Rücken zur Wand steht, will er nicht aufgeben. Er baut auf seinen Schutzpatron Herbert Wehner, mit dessen Hilfe er bis zur Abfuhr in der NRW-Metropole Essen alle parteiinternen Versuche, ihn um Amt und Einfluss zu bringen, überstanden hat. So verdankt Karl Wienand seine Rückkehr in den Deutschen Bundestag allein dem SPD-Fraktionschef, der ihm gegen den Willen von Heinz Kühn ("Ich bin gegen Wienands Kandidatur") noch den sicheren 12. Platz auf der nordrhein-westfälischen Landesliste der SPD verschaffen konnte. - Parteikarrieren.
STAATSSEKRETÄRS-PÖSTCHEN
Unterstützung erhofft sich der gebeultete Wienand auch von Bundeskanzler Willy Brandt und Finanzminister Helmut Schmidt. "Brandt und Schmidt haben volles Vertrauen zu mir. Sonst hätte ich bei der Regierungsbildung nicht ein paar Staatssekretärsposten angeboten bekommen."
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POSTSCRIPTUM ODER ETAPPEN DES SPD-HANDLANGERS KARL W.
o 1971 Verstrickung in die Affäre um die Charterfluggesellschaft Paninternational. Bei einer Notlandung eines Flugzeuges auf der Autobahn nach Hamburg starben 22 Menschen. Karl Wienand, der Beraterhonorare erhielt, wurde vorgeworfen, die Fluggesellschaft vor einer Prüfung durch die Luftfahrtbehörde geschützt zu haben. Ein Bundestags-Untersuchungsausschuss befasste sich mit diesem Sachverhalt. Er kam jedoch im Parteienstreit zu keiner abschließenden Bewertung. Der Verdacht von Zahlungen an Wienand in Höhe von 162.500 Mark konnten nicht ausgeräumt werden.
o 1972 - Steiner-Wienand-Affäre: Beim Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Willy Brandt soll Karl Wienand dem CDU-Bundestagsabgeordneten Julius Steiner insgesamt 50.000 Mark dafür gezahlt haben, sich der Stimme zu enthalten. So erklärte es im Jahre 1973 der zwischenzeitlich aus dem Bundestag ausgeschiedene Steiner auf einer Pressekonferenz. Später kam heraus, dass Steiner 50.000 Mark vom DDR-Geheimdienst erhalten hatte. Ob er sich doppelt bezahlen ließ, konnte allerdings nicht geklärt werden.
o 1973 hob der Deutsche Bundestag des Immunität des Abgeordneten Karl Wienand wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung auf.
o 1975 wurde Karl Wienand wegen Steuerhinterziehung - auch für die finanziellen Zuwendungen von Paninternational - zu einer Geldstrafe in Höhe von 102.000 rechtskräftig verurteilt.
o 1990 wegen Autofahrens im angetrunkenen Zustand zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
o 26. Juni 1996 Verurteilung wegen Spionage zugunsten der DDR zu zweieinhalb Jahren Haft und eine Millionen Mark Geldstrafe. Karl Wienand bestreitet bis dato die Agenten-Vorwürfe. Nach Auskünften des ehemaligen DDR-Geheimdienstchefs Markus Wolf stand Wienand seit Ende der sechziger Jahre in Kontakt zur DDR-Auslandsspionage.
o 1997 - mit Urteil vom 28. November verwarf der Bundesgerichtshof die von Karl Wienand eingelegte Revision (AZ 3 StR 114/97), womit das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf rechtskräftig wurde.
o 1999 Begnadigung durch Bundespräsident Roman Herzog. Grund: Wienands Herzerkrankung. Die Haftstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
o 2002 abermals dreimonatige Untersuchungshaft. Karl Wienand soll in den neunziger Jahren bei der Planung und Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA) Schmiergelder in Millionenhöhe angenommen haben. Ihm wird neben Beihilfe zur Bestechlichkeit auch Bestechung und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Haftverschonung gegen Auflagen (Reisepass und Personalausweis abgeben, darüber hinaus dreimal wöchentlich bei der örtlichen Polizeidienststelle melden), wegen des angegriffenen Gesundheitszustands durch das Oberlandesgericht Köln (Az: 2Ws 409/02).
o 2003 Die Auflagen zur Haftverschonung werden im August vom Landgericht Köln aufgehoben. Der Prozess konnte, wegen des Gesundheitszustandes von Karl Wienand, einen langen Zeitraum nicht eröffnet werden.
o Mit Urteil von 14. Dezember 2004 verurteilt das Kölner Landgericht Karl Wienand zu einer Haftstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der 77jährige sich der Beihilfe zur Untreue schuldig gemacht hat. Wienands Rechtsvertreter hatte am ersten Verhandlungstag eingeräumt, dieser habe eine Schwarzgeldzahlung in Höhe von nur einer Millionen Euro im Zusammenhang mit der Kölner Müllverbrennungsanlage angenommen und nicht in Höhe von 2,1 Millionen Euro, wie von der Staatsanwaltschaft behauptet. (QUELLE: WIKIPEDIA 10/2008)