Dienstag, 1. Februar 2011

Aus aktuellem Anlass - Im Antiquariat gestöbert: Möllemänner oder die opportunistischen Liberalen
























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Pressenet
1. Februar 2011
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Seit nahezu acht Jahren ist der Name Jürgen W. Möllemann (*1945+2003) in der FDP mit einem unausgesprochenen Tabu belegt. Zu unvorteilhaft scheint es der FDP-Spitze sich seiner zu erinnern - einem Politiker, der für die Liberalen beinahe über Jahrzehnte tagein, tagaus die Schlagzeilen großer Tageszeitungen füllte und als der "Hoffnungsträger" schlechthin den Menschen draußen im Land verkauft wurde. Außenminister Hans-Dietrich Genscher (1974-1992) über Möllemann: "Eine Bitte habe ich. Achten Sie mal auf den."

Bekanntlich stürzte sich der einstige liberale Senkrechtstarter Möllemann (Staats-, Bildungs- und Wirtschaftsminister in Bonn, NRW-Landeschef) mit einem Falschirm jäh in den Tod. Dabei hatte Jürgen W. Möllemann in seinen politischen Ausrichtungen vieles nicht viel anders gemacht als sein Erzrivale Guido Westerwelle (FDP-Bundesvorsitzender von 2001-2011).

Ihre politische Sozialisation verlief ziemlich stromlinienförmig. Ob Möllemann oder Westerwelle - sie passten sich bis zur Unkenntlichkeit an. Sie verhielten sich servil nach oben - Widerspruch war nicht gefragt. Aber eines hatten sie gemeinsam. Sie redeten recht schnodderig über die Kleinen hinweg, ihre Sorgen wie Probleme gingen ins linke Ohr rein und im rechten schnell wieder raus. Beide stehen früh und forsch auf, sortieren flugs politische Tages-Ereignisse, ohne sich sonderlich um Inhalte zu kümmern. Polit-Marketing - "wie war ich gestern in der Sendung" - ist gefragt.

Es waren erbitterte Macht- wie Diadochenkämpfe, die sich diese beiden Zöglinge des früheren FDP-Vorsitzenden Hans-Dietrich Genscher (1974-1992) lieferten. Um politische Lösungen pochender Sachverhalte, um Regierungskoalitionen oder auch gesellschaftspolitische Perspektiven ging es dabei nicht. Es war eine Dauerfehde der Eitelkeit, Machtbesessenheit. Nicht einmal oder zweimal, fortwährend über Jahre. Erbittert. Beispiellos.

Dem Autor Reimar Oltmanns, früher Parlamentsjournalist in Bonn und Politik-Redakteur in Hamburg, ging es in seinem Buch gar nicht darum, vereinzelte Karrieristen zu brandmarken - vorzuführen. Sein Buch "Möllemänner" war für ihn der Inbegriff einer morastigen, subalternen und korrupten politischen Kultur in diesem Land schlechthin. Und er verknüpfte mit der Veröffentlichung die Hoffnung, den Namen Möllemann als Synonym für opportunistische Karrieresucht zu begreifen. Ob Bonn oder Berlin - sein Anliegen ist aktueller denn je.

Richtig - es gab sie immer, diese Möllemänner, auch wenn sie heutzutage als Westerwelles deutsche Bussi-Gesellschaften mit austauschbaren Postulaten beglücken. Derzeit schmücken noch immer zu viele leere vollmundige Versprechungen, hehren Vertrauensbrüchen, Effekthaschereien und Showeinlagen das Polit-Entertainment dieser Tage. Politik zum Abgewöhnen. Sprechblasen-Marketing statt Ideengeschichte.

Ironisch betrachtet war und ist die FDP mit/ohne Möllemänner und Westerwelles schon immer eine Art "Spielbank des Parlamentarismus" gewesen. Vielleicht ist auch dies der Grund, warum die Grenzüberschreitungen zwischen Politik und Kriminalität in dieser FDP so bizarr nachvollziehbar verlaufen. Der Name Möllemann geriet in jener Zeit zu einem Synonym verbogener Charaktere in der Politik, die die Grenzen zwischen Legalität und Kriminialität überschritten hatten. Der Schreiber Reimar Oltmanns schildert prägnant den menschlichen Sumpf und Tragödien deutscher Machteliten. Zeitgeschichte. In keiner Partei in Deutschland indes füllen derart viele, Hunderte von Aktenordnern Kapital- oder auch Steuerdelikte wie in der FDP. Diagnose: bestechlich. - Möllemänner.

Es ist nicht ohne Pikanterie, dass sich nach Westerwelles Sturzflug in der Wählergunst im Jahre 2010/11 (von 15 auf durchschnittlich unter 5 Prozent) ausgerechnet der einstige Möllemann-Freund Wolfgang Kubicki (FDP-Landesvorsitzender von Schleswig-Holstein) zu Wort meldete. Kubicki servierte Westerwelle eine Generalabrechnung, geißelte die "Auflösung der Partei". Wörtlich: "Die Situation, in der wir uns befinden, erinnert mich fatal an die Spätphase der DDR. Die ist irgendwann implodiert. Auf einmal war sie nicht mehr da."

Genauso wie Jürgen W. Möllemann, der am 5. Juni 2003 vom Himmel plumpste und seinen Erben drei Millionen Euro Schulden hinterließ.