Donnerstag, 21. Februar 2008

Zeitgeschichte: Reiche Kommunisten von einst - Unaufhaltsamer Niedergang der PCF in Frankreich

























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stern, Hamburg
16. März 1978 / 06. November 2008
von Reimar Oltmanns
und Peter Koch

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Russische Kuriere schmuggelten bis in die fünfziger Jahre Dollarnoten und Goldbarren nach Frankreich , um ihre notleidenden Genossen beim Kampf gegen das kapitalistische System zu unterstützen. In den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts war der damalige KP-Chef Georges Marchais (*1920+1997) auf die Hilfe aus Moskau nicht mehr angewiesen. Der Arbeiter-Sohn und Maschinenschlosser steuerte inzwischen ein gigantisches Wirtschaftsimperium. Von Tante-Emma-Läden über Supermärkte, vom kleinen Buchhandel bis zur Großdruckerei, vom Reisebüro bis zum Möbelhaus. Frankreichs Kommunisten machten seinerzeit von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt Profit. Selbst wenn in Stadtparlamenten öffentliche Aufträge vergeben wurden, wirtschaftete die KPF über Mittelsmänner auf eigenes Konto. Jahrzehnte später: Schulden über acht Millionen Euro Defizite. Die einst vom brasilianischen Star-Architekten Oscar Niemeyer erbaute KPF-Parteizentrale öffnete sich als Schauplatz obskurer Modeschauen, gar christlicher Wohlfahrt-Veranstaltungen. Ursache: Mitgliederschwund, Geld-Desaster, Vertrauens-schwund - und aus Moskau keinen Cent mehr dazu. Rück- und Ausblick. Abgesang einer Epoche.
Geld ist die Verbrüderung der Unmöglichkeiten. Es zwingt das sich Widersprechende zum Kuss". Was Karl Marx (* 1818+1883) Mitte des 19. Jahrhunderts im "Kapital" philosophierte, führten gut 100 Jahre später Frankreichs Kommunisten in der Praxis vor: Angetreten zum Kampf gegen die großen Monopole, baut die KPF selbst riesige Wirtschaftskonzerne auf. Und im Kampf gegen die Kapitalisten marschieren vorweg parteieigene "Kapitalisten". An ihrer Spitze der 57 Jahre alte Bauer, Winzer, Tierzüchter, Obsthändler und Unternehmer Jean-Baptiste Doumeng (*1920+1987). Moment-Aufnahmen aus dem bizarren Leben eines kommunistischen Spitzen-Funktionärs in Frankreich; aufgenommen vor mehr als drei Jahrzehnte; jenen reichen Partei-Jahren. Retrospektive. Geschichts-Stunde.
DIOR-BRILLE MIT LENIN-PLAKETTE
Auf dem Telefonbord des Jean-Baptiste Doumeng liegt das Dior-Brillenetui gleich neben der Lenin-Plakette. In der Bücherwand gegenüber stehen die Bibel und die Schrift des einstigen französischen KP-Prominenten Jacques Duclos (*1896+1975) über "die erste Internationale". Es war eben der markante Duclos, der jemals das beste Wahlergebnis für die KP in Frankreich erreichen konnte - bei der Präsidentschaftswahl 1969 mit 21,27 Prozent aller Stimmen. - Lang, lang ist's her. Indes: Vor dem Doumeng-Anwesen sind kreuz und quer die sechs Wagen der vierköpfigen Familie geparkt: Citroen CS, Mercedes und Landrover für den Hausherren, Renault R 16 für die Hausfrau. Alfas 2000 GTV für die beiden Söhne. Auf dem der Alfas liegen mit Hammer und Sichel geschmückte Mitgliedskarten der kommunistischen Jugendbewegung.
IN DEN BERGEN DER PYRENÄEN
Dem Stilleben entspricht der Lebensstil - auch in längst vergilbten Epochen. Sonntagmorgen im südfranzösischen Noe: Jean-Baptist Doumeng, der Hausherr in Windjacke und karierter Mütze inspiziert per Landrover einen Teil seiner Ländereien. Alles ist nicht zu schaffen in dem riesigen Gebiet, das sich in der Ebene der Haute-Garonne vor den schneebedeckten Bergen der Pyrenäen im Süden Frankreichs erstreckt. Nur schnell vorbei an den Fußballfeld großen Rinderstallungen - 1.000 Stück Vieh werden hier pro Woche verkauft. Weiter geht's über holprige Feldwege und das eigene Flüsschen hügelan zur Perle des Besitzes: dem Reitstall mit den Araber-Vollblütern.
PRIVATE REITHALLEN
Wie viele Pferde es sind ? Der Hausherr weiß es nicht: "Zehn, vielleicht 20." Sohn Michel,23, und Mitglied der kommunistischen Jugendbewegung, der mit einem der Hengste als Springreiter an der nächsten Olympiade in Moskau teilnehmen will, korrigiert: "Es sind 24." Neben den Stallungen die private Reithalle, so groß, dass sie gut als Hangar einer Boeing 707 dienen könnte. Dahinter dann der offene Parcours. Auf dem Rückweg ein kurzer Stopp vor einem Haus aus unverputztem Feldstein, davor ein Hühnerstall und ein kleiner Blumengarten. Es ist das Geburtshaus des Patron, sein Vater war Tagelöhner; seine Mutter, die als Amme die Kinder begüterter Bürger im nahen Städtchen Noé nährte, starb hier an Auszehrung, als der Junge Jean-Baptist 16 Jahre alt war.
WÖLFE JAGEN
Bei der Rückkehr springen vier Hunde den Hausherrn an: gefleckte Dogen, ein Schäferhund und der fohlengroße Barsoi "Kopek", eine zottelige Windhundart, die in ihrer sibirischen Heimat Wölfe jagt. Von der Straße her sieht das Wohnhaus unscheinbar aus, eine Betonmauer ohne Fenster, darauf ein Schrägdach. Zum Garten hin springt das Haus wie eine Muschel auf, durch bodentiefe Fensterfronten dringt Sonnenlicht in die gut 100 Quadratmeter große Wohnhalle, ein Balkon vor dem Schlafzimmer im ersten Stock ist zugleich Sprungbrett in den drei Meter tiefen Swimming-Pool - beheizt und mit Unterwasser-Beleuchtung.
KARUSELLFAHRT DER MONBAZILLAC-WEINE
Die Mittagstafel, ein großer runder Holztisch mit drehbarem Innenteil, ist schon gedeckt. Der 23jährige Michel gibt dem Diener - einem gleichaltrigen Marokkaner - knapp Order: "Sie können jetzt servieren!" Gänseleberpastete und ein schwerer 69er Monbazillac-Weißwein beginnen auf dem Innentisch ihre Karussellfahrt. Der Hausherr philosophiert dazu: "Meine Lebenserfahrungen haben mir bewiesen, dass der Kapitalismus überholt ist". sagt er und rollt dabei die Konsonanten, "in spätestens 30 oder 50 Jahren ist es vorbei. Dann wird die Gesellschaft der Menschen wissenschaftlich so organisiert sein, dass Gleichheit und Gerechtigkeit herrschen. Das ist mein innigster Wunsch."
SELFMADE-KOMMUNIST
Der Hausherr ist Kommunist, Selfmade-Kommunist. Im Sterbejahr seiner Mutter gründete er mit zwei Freunden die kommunistische Partei seines Heimatortes. Der 16jährige Hirtenjunge, der keine Zeit für die Schule hatte, war vom Gemeindepfarrer und Dorfbriefträger - beide wegen aufrührerischer politischer Ideen nach Noé strafversetzt - in Marx und Engels, auch Kant und Hegel unterwiesen worden. Er wollte sich damit nicht abfinden, dass bei der Ordnung der Welt in Reiche und Arme die Reichen immer nur die anderen sein sollten. Jean-Baptiste Doumeng hat es geschafft. "Ich bin der reichste Kommunist der Welt", kann er heute von sich sagen. Wie reich genau, erzählt er nicht, vielleicht weiß er's nicht. Nur: "Für 20 Millionen Dollar würde ich meinen Platz nicht räumen."
EINFLUSS NICHT MESSBAR
Er ist ausgewiesen als Präsident, Generaldirektor oder Teilhaber von rund 40 Unternehmen. Sein wahrer Einfluss aber ist nicht nur an Posten ablesbar. Mit Nikita Chruschtschow (*1894+1971) ging Jean-Baptiste Doumeng auf Bärenjagd. Leonid Breschnew (*1906+1982) empfängt ihn in Moskau am Flughafen - eine Ehre, von der KPF-Chef Georges Marchais (*1920+1997) nur Zeit seines Lebens träumen konnte. Doumeng gilt als die graue Eminenz der Kommunistischen Partei Frankreichs, als ihr heimlicher Schatzmeister. Früher hatte er auch einmal offizielle Posten in der Partei, bis 1964 saß er im Zentralkomitee. Für solche Ämter lassen ihm heute seine Geschäfte keine Zeit mehr.
JEAN GABIN DER PARTEI
Doumeng, der trotz Goldrandbrille mit wuchtigem Kopf, seinen breiten Händen und der gedrungenen Gestalt noch immer so aussieht wie der Charakter-Darsteller des französischen Films Jean Gabin (*1904+1976) in der Rolle eines Bauern des Midi, wickelte sein erstes Geschäft nach dem Krieg ab: der Tausch französischer Kartoffeln gegen tschechische Traktoren. "Das war etwas schwierig", sagt Doumeng, "weil die damalige Tschechoslowakei noch keine Volksrepublik war." Mit dem Gewinn gründete Doumeng die "Union landwirtschaftlicher Genossenschaften des Südwestens". Im Genossenschaftswesen glaubte er merkantile Effizienz des Kapitalismus und moralische Ansprüche des Kommunismus synchronisieren zu können. Nunmehr handelt Doumeng - immer im Namen und Auftrag solcher Kooperativen von inzwischen 250.000 Bauern und Winzern - mit Fleisch, Getreide und Wein, mit Torte aus St-Tropez mit Haute Couture von Jacques Esterel (*1917+1997), mit Immobilien und Traktoren. Selbst aus Scheiße macht Doumeng inzwischen Geld. Er fand heraus, dass die Exkremente der Rinder einen hohen Prozentsatz unverdauter proteinreicher Nahrungsbestandteile enthalten, und entwickelte ein heute weltweit exportiertes Trennverfahren, das aus Rindermist wieder Rindernahrung macht.
"KLÜGER ALS DIE ANDEREN"
Als Geheimnis seines Geschäftserfolgs hält er die Selbsterkenntnis parat: "Ich bin eben klüger als die anderen." Und: "Ich hab' eben mit den Ländern des Ostblocks Verträge abgeschlossen - ohne Vorauskasse, Zahlung erst bei Lieferung -, als die Kapitalisten noch zu furchtsam waren." In der Tat: Der Osthandel war und blieb Motor und Haupteinnahmequelle aller seiner Unternehmungen. Über seine Firma Interagra - in einem Hinterhof von Toulouse ein Dreizimmerbüro, in Paris eine komfortablere Zentrale in der Rue Auber nahe der Oper - hat er praktisch ein Monopol für den Handel zwischen Frankreich und der Sowjetunion. Jährlicher Umsatz: etwa 1,8 Milliarden Euro. Über Interagra wickelte Doumeng seine spektakulären Geschäfte ab: Er verscherbelte an die Russen Kühlhausbutter West-Europas zum Niedrigstpreis und kassierte dabei Hunderte von Millionen Euro an Exportsubventionen. Die Russen ihrerseits zweigten ein gut Teil der Billigbutter ab und verkauften sie mit Aufpreis nach Chile des Salvador Allendes (Präsident Chile 1970-1973; *1908+1973). "Ich habe den Kapitalismus in den Dienst des Kommunismus gestellt", sagt Doumeng - und wenn's mal umgkehrt läuft, stört es ihn auch wenig. Hauptsache, dass rote Zahlen bei ihm Plus bedeuten.
GEHEIME KPF-KONTEN
Und das dann nicht nur bei ihm. Wie viele Millionen Provision von Doumengs Geschäften jährlich auf die KPF-Konten fließen, ist eines der bislang und nie gelüfteten Geheimnisse in der ohnehin nicht gerade publikumsfreudigen Parteizentrale an der Place du Colonel Fabien in Paris. Und wohl selbst dem französischen Fiskus wird es nie gelingen, diese Transaktionen zu durchleuchten. Wie auch? Doumeng wickelt seine Osthandelsgeschäfte über die "Banque Commerçiale pour l'Europe du Nord" BCEN) ab, ein Geldinstitut am Boulevard Haussmann, dessen einstöckige unscheinbare Marmorfassade an die Außenfront einer Fahrschule erinnert. Die Aktien der BCEN gehören zu 99,7 Prozent der sowjetrussischen Staatsbank und der Moskauer Außenhandelsbank BCEN, 1921 gegründet und inzwischen auf einer Bilanzsummer von annähernd 2 Milliarden Euro als größte Auslandsbank Frankreichs, ist zugleich auch die Hausbank der KPF. Damit ist Vorsorge getroffen, dass aus Doumengs Geschäften vorab Provisionen auf KPF-Konten abgezweigt werden können, ehe die endgültige Gutschrift auf das Interagra-Firmenkonto erfolgt. - Satte, sorgenfreie Jahre. Doumeng hat auf die Fragen nach der Höhe seiner Zahlungen an die Partei eine Standardantwort: "Ich zahle meinen Beitrag und gebe der Partei ab und zu Spenden: eher 1.000 Francs als zwei Francs."
BÄUERLICHER CHARME
Wer so viel bäuerlichem Charme nicht erliegt, dem liefert Doumeng noch einen zweiten Hinweis auf seine scheinbare Harmlosigkeit: "Sehen Sie, die 'Humanité hat noch nie über mich geschrieben." Schlüssiger ist indes nie der eigentliche Beweis für Doumengs Bedeutung geliefert worden. Das ehemalige KP-Zentralorgan "L'Humanité" ( gegründet 1904, im Jahr 1994 verschwanden Hammer und Sichel im Zeitungskopf) schwieg, als Doumeng 1976 wegen Weinpanscherei zu 23 Millionen Francs Strafe verurteilt wurde. Die KPF schloss die Augen, als Doumeng sich mit dem kapitalistischen Erzfeind, dem Bankier Guy de Rothschild (leitete von 1967 bis 1979 die Familienbank, *1909+2007) in einer Vertriebsgesellschaft für Obst und Gemüse zusammentat. Doumeng: "Ich kenne alle Rothschilds beim Vornamen". Kein entrüsteter Kommentar in der KPF-Gazette prangerte Doumeng an, als er 1972 eine Millionen Hektoliter billigen algerischen Wein importierte, obwohl Südfrankreich zur selben Zeit nicht wusste, wohin mit den aus der eigenen Überschussproduktion stammenden Weinvorräten.
FINANZIER, AUSHÄNGESCHILD
Weshalb auch einen Mann angreifen, der schließlich auf dreifache Weise der Partei Nutzen bringt: als Finanzier, als Aushängeschild für kommunistische Unternehmer-Freundlichkeit und schließlich als Modell für eigene Finanzakrobatik. Denn die Abschaffung des Kapitalismus erfordert zunächst einmal Kapital - mehr als es Doumeng der Partei zukommen lassen konnte. Und da die direkte Expropriation der Expropriateure (laut Karl Marx die Enteignung der Enteigner) nach dem Vorbild Stalins, der 1907 bei einem Überfall in Tiflis auf Geldboten des Zaren 375.000 Rubel eroberte, nicht mehr in die Zeit passt, müssen andere Wege gefunden werden. Zumal sich die KPF mit ihrem neuen Kurs aus dem Jahre 1976 nach größerer Unabhängigkeit von Moskau, eine ihrer Haupteinnahmequellen zugeschüttet hatte: das direkte Geld aus Moskau. Zur Erinnerung: Während der zwanziger und dreißiger Jahre , selbst noch nach dem Zweiten Weltkrieg verkehrten ständig Kuriere mit Dollarbündeln im doppelbödigen Koffer zwischen Moskau und Frankreich.
MIT MINI-LOHN ZUM LANDSITZ
Der Geldsegen versiegte aber spätestens, als Georges Marchais (KPF-Generalsekretär 1972-1994) die Revolutionsanweisung von der "Diktatur des Proletariats" aus dem Programm der KPF tilgte, ein Vorgang, den das US-Magazin Newsweek damit verglich, dass die katholische Kirche plötzlich das Dogma von der unbefleckten Empfängnis verwerfen würde. Und für eine Partei, die sich gegen industrie-finanzierte Bürgerparteien durchsetzen muss, langten auch nicht mehr die Zinsen aus dem inzwischen schon zur Legende gewordenen Goldschatz der republikanischen Regierung Spaniens, den Frankreichs Kommunisten im Bürgerkrieg (1936-1939) zum größten Teil nach Paris verfrachten konnten. Die beiden Lastwagen-Ladungen Gold wurden mit dem Frachtdampfer Cap Pinede nach Frankreich verschifft - Direktor der Cap Pinede-Reederei "France Navigation" , eines Gemeinschafts-Unternehmens russischer und französischer Kommunisten, war der junge seinerzeit von den Nazis verschleppte und internierte KP-Funktionär Georges Gosnat. Als Schatzmeister der KPF verwaltete und wachte Gosnat (*1914+1982) über das Parteivermögen.
UNSUMMEN FÜR WAHLKAMPF-SCHLACHTEN
Zur Erinnerung: Allein die erste Runde des Präsidentschafts-Wahlkampfes aus dem Jahre 1978 kostete die Partei mindestens 7,7 Millionen Euro. Für eine einzige Parteiversammlung, etwa im Pariser Vorort Poissy, wurden 16.000 Plakate und 150.000 Traktate mit Marschais-Parolen gedruckt. Kosten: 31.000 Euro Und schon vor dem Wahlkampf hatte die KPF hohe Propaganda-Ausgaben. Im September 1977 nach der Aufkündigung des Zusammengehens mit den Sozialisten, gab die KPF 1,6 Millionen Euro aus, um den Französinnen und Franzosen den plötzlichen Kollisionskurs gegen den bisherigen sozialistischen Partner François Mitterrand (Staatspräsident 1981-1995; *1916+1996) klarzumachen. - Kommunisten, die aus dem Vollen schöpfen konnten.
"GLÄSERNES HAUPTQUARTIER"
Artikel 51 des KPF-Parteinstatuts bestimmt: "Die Finanzierung der Partei erfolgt über Beiträge, Spenden, Diätenrückzahlungen und durch die Unternehmen der Partei." Eine staatliche Parteieninfanzierung gibt es in Frankreich nicht. Seit dem Jahr 1973 veröffentlicht die KPF eine Bilanz von Einnahmen und Ausgaben - seit sie ihr neues, vom Brasilia-Architekten Oscar Niemeyer konstruiertes gläsernes Hauptquartier an der Place Colonel Fabien bezog. Slogan: "Wir sind so durchsichtig wie unser Haus." Das hinderte freilich die Pariser Staatsanwaltschaft im Jahre 2001 nicht daran, gegen den damaligen KPF-Vorsitzenden Robert Hue (1994-1998) ein Ermittlungsverfahren wegen Korruption einzuleiten. Danach sollen über 3.5 Millionen Euro Bestechungsgelder für nie erbrachte Leistungen im Rahmen der illegalen Parteienfinanzierung in den Jahren 1984 und 1994 in die Kassen der kommunistischen Partei geflossen sein. Auch wenn Robert Hue vom Vorwurf undurchsichtiger Finanztransaktionen als Gegenleistung für Aufträge in kommunistisch regierten Städten vom Gericht freigesprochen wurde, "König Geld" war schon immer seit Jahrzehnten ein klebriger Wegbegleiter der Genossen. Indes, schon der bereits im Jahre 1977 veröffentlichte Etat weist nur drei der im Statut genannten Einnahmequellen aus.
KASSE MACHEN
Danach kassierte die Partei an
o Mitgliedsbeiträgen im Jahre 1977 noch 6,92 Millionen Euro. Jedes der damals 500.000 KPF-Mitglieder (im Jahre 2006: nur noch 138.000) muss ein Prozent seines Einkommens an die Partei abführen;
o Diäten-Rückflüssen von etwa 1,3 Millionen Euro. Jeder über KPF-Liste in irgendein öffentliches Amt gewählte Funktionsträger - vom Abgeordneten der Nationalversammlung bis hin zum Bürgermeister des 5.000 Seelen-Ortes Port-Saint-Louis im Département Bouches-du-Rhône - muss seine vom Staat gezahlten Einnahmen an die Parteikasse abliefern. Verfügte die KPF im Jahre 1978 noch über 86 Abgeordnete (20,5 Prozent) in der Nationalversammlung, so sackte ihr Stimmenanteil im Jahre 2007 auf 4,3 Prozent mit 15 Sitzen zusammen. Die Folge: Seit 1958 konnten die Kommunisten erstmals im Pariser Parlament keine eigene Fraktion mehr bilden. Überdies blieben die Genossen auf einen hohen Schuldenberg aus ihren Wahlkämpfen sitzen. Für eine Rückerstattung dieser Auslagen hätte die KPF 5,0 Prozent der Wählerstimmen erreichen müssen. - Finanz-Desaster.
LOHN EINES "FACHARBEITERS"
o In früheren, sorglosen Jahrzehnten bekam jeder KPF-Offizielle - damals Parteichef Georges Marchais eingeschlossen - von der Partei den Monatslohn eines "hochqualifizierten Metallfacharbeiters der Region Paris ausgezahlt - im Jahre 1978 genau 815 Euro. So überweist der Multifunktionär Georges Valbon (*1924+2009) Bürgermeister von Bobigny (1965-1996) bei Paris, einst Vorsitzender der Départment-Verwaltung von St. Denis und Mitglied der Regional-Verwaltung, jährlich insgesamt 21.100 Euro auf das Parteikonto Nr. 4890 bei der sowjetgeführten "Banque Commerçiale pour l'Europa du Nord". Doch stehts reicht das den Funktionären rückgezahlte Facharbeiter-Gehalt für gehobenen Lebensstandard, weil Spesen, Dienstwagen, Chauffeur und Hausangestellte hinzukommen. Zur damaligen Zeit etwa konnte sich Parteichef Georges Marchais auch mit dem offiziellen Minimun-Lohn einen Landsitz in Champigny kaufen;
BETTELMÖNCHE
o Spenden und Sammlungen schlugen seinerzeit mit 7,7 Millionen Euro zu Buche. Auf jeder Parteiversammlung rappelte KPF-Jungvolk wie Bettelmönche mit der Sammelbüchse. Neben dem Pförtner in der Parteizentrale forderte noch immer, fünf Jahre nach dem Einzug, ein Schild zur Spendenaktion für die Abzahlung des Neubaus auf. Ehedem: Im Vorwahljahr 1977 richtete das Politbüro einen "nationalen Wahlkampf-Fonds" ein und erließ Spendenaufrufe. Bisheriger Eingang: 900.000 Euro. An jedem 1. Mai schwärmen Tausende von Parteigenossen mit Mai-Glöckchen-Gebinden aus. Die vier Stengel, die sie für 27 Cents auf dem Pariser Großmarkt holen, verkaufen sie zum Preis von einem Euro - damals. Mehrwertschöpfung zum Wohle der Partei: 311,76 Prozent. Gesamteinnahmen des 1. Mai 1977: 770.230 Euro.
FUSSBALL UNTER COCA-COLA
Alljährlicher Höhepunkt der Francs/Euro-Kollekte ist alljährlich im September das Fest der "Humanité". Allein der Eintritt zu diesem Mammutspektakel kostete seinerzeit 12 Francs (1,85 Euro) und erbrachte 12 Millionen Francs ( 1,85 Millionen Euro). Dessen ungeachtet zahlen Konsum-Konzerne bis zu 700.000 Euro Standgebühren (zum Beispiel der Apéritif-Hersteller Ricard ). Sie locken zudem kommunistische Festbesucher mit Sprüchen an wie: "Das Fußfallspiel findet unter dem Exklusiv-Patronat von Coca-Cola statt." Immerhin gelang es den Veranstaltern trotz eines Eintrittspreises von 20 Euro im Jahre 2009 insgesamt die Aufmerksamkeit von zwanzigtausend Jugendlichen für Tage auf sich zu lenken. Einnahme: 400.000 Euro.
KAPITALISTEN-PRÄSENZ
So intensiv schien jedenfalls der Drang der Kapitalisten zu Kommunisten, dass es sich die Partei inzwischen leisten konnte, unbotmäßige Firmen von der Werbe wirksamen Teilnahme am Polit-Jahrmarkt auszuschließen. Seinerzeit führte der Direktor des Fête du l'humanité und Herausgeber gleichnamiger Zeitung (1974-1994) , Politbüromitglied Roland Leroy schwarze Listen jener Firmen, die das Jahr über nicht in "L'Humanité Dimanche" inserierten. Die Brauerei Kronenburg durfte zu besagter Zeit genausowenig aufs Fest wie der Getränkekonzern Schweppes, das Mineralwasser Evian oder der Champagner-Produzent Taittinger. Gleichwohl kamen so im Jahr 1976 - als Beispiel - 18,5 Millionen Euro auf die Einnahmeseite des offiziellen Etats. - Lang ist's her.
IN SAUS UND BRAUS
Ausgegeben wurden diese beträchtlichen Summen laut Rechenschaftsbericht des Parteischatzmeisters Georges Gossnat fürs Zentralkomitee (1,53 Millionen Euro), für nachgeordnete Funktionäre (6,15 Millionen Euro), für Verwaltungskosten (5,4 Millionen Euro) und für Propaganda (5,4 Millionen Euro). Dass diese Bilanz frisiert war, bewies der französische Investigations-Journalist Jean Montaldo in seinem 1977 im Verlag Albin Michel veröffentlichten Buch "Les Finanes du PCF, le parti plus capitaliste de France" eindrucksvoll wie unwidersprochen.
GELDER VERSCHWIEGEN
Nach dieser Aufschlüsselung der Mitgliedsbeiträge (ein Prozent des Gehaltes) müssten über die Hälfte der französischen Genossen weniger als 220 Euro monatlich verdienen und damit weit unter dem gesetzlich garantierten Mindestlohn von damals 270 Euro liegen. Dass die Genossen beitragsehrlich waren und sind, dafür sorgen schon KPF-Betriebsgruppen und die kommunistisch stark beeinflusste Gewerkschaft CGT mit ihren 700.000 Mitgliedern . Tatsächlich fehlt schon immer in dem offiziellen Etat der im Statut erwähnte Einnahmeposten "Unternehmen der Partei". Darüber mochte Georges Grosnat in seinem Rechenschaftsbericht nur sagen: "Sicherlich, unsere Partei musste Wirtschaftsunternehmen gründen. Aber die sollen ihr nur helfen, das Erscheinen der 'L'Humanité', den Betrieb von Druckereien und Verlagen zu sichern. Deshalb ist es unnütz, darüber öffentlich zu spekulieren, wieviel Geld im einzelnen diese Wirtschaftspolitik erbringt."
KPF-IMPERIUM VON EINST
Kenner schätzen, dass dabei noch einmal die gleiche Summe zusammenkommt, wie sie die offizielle Bilanz ausweist. Denn die KPF hat sich im Laufe der Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ein riesiges Imperium von Wirtschaftsunternehmen aufgebaut. Mitte der siebziger Jahre gehörten dem Konzern der Partei der Antimonopolisten etwa 300 Firmen an. Neben dem Zentralorgan "L'Humanité" (Auflage damals 198.000, im Jahre 2006: 50.000 ) und dessen Sonntagsausgabe (einst 500.000, nunmehr 80.000 Exemplare) erschienen zwischen Marseille und Dünkirchen weiter 160 kommunistische Publikationen . Von der Kinderzeitschrift "Pif" - die der Hamburger Verlag Gruner + Jahr unter dem Titel "Yps" in der Bundesrepublik übernommen hat - über die in Toulouse erscheinende Provinz-Zeitung "Nouvelle de Toulouse" bis zum arabischen Gastarbeiter-Blatt "L'Immigrés d'Afrique du Nord".
1,8 MILLIONEN-BESTSELLER
Parallel zum Zeitungsmarkt belieferte die KPF über ihre Verlags- und Vertriebsorganisation CDLP - die seinerzeit zweitgrößte Frankreichs - 40 ihrer angeschlossenen Büchereien und über 100 öffentliche Bibliotheken kommunistisch regierter Gemeinden. Außerdem fungiert die CDLP als Dachorganisation weiterer 20 Buchverlage. So für "Edition sociales" ,die hauptsächlich marxistische Literatur herausgibt und mit dem "gemeinsamen Buch-Programm" von Kommunisten und Sozialisten einen 1,8-Millionen-Bestseller landete. So auch für die "Editions la farandole", die Kinderbücher auf den Markt bringt, und für die Buchgemeinschaft "Club Diderot", dem immerhin über 100.000 Mitglieder angehören.
KPF-FIRMEN - EIN STAAT IM STAATE
Von Paris aus steuert die KPF über ihre Holding-Gesellschaft GIFCO 23 spezialisierte Liefer- und Beratungsfirmen in die Provinz hinein. So versorgt die SOCOPAP die seinerzeit 1.813 kommunistische Rathäuser mit Büromaterial, die SOFCOL liefert Schulmöbel, die Firma "Les Sports" baut Sportanlagen, und das Unternehmen Ferrandon installiert Heizungen. Unter dem Dach der GIFCO baute die KPF einen Staat im Staate auf. Die GIFCO-Tochter SOGIR hilft Gemeinden, durch neue Computer-Technologien ihre Daten zu speichern. Die erfassten Personalien der Bürger - ob Kommunisten oder nicht - sind für die Partei jederzeit abrufbar.
GEBÄUDE UND GRUNDSTÜCKE GEKAUFT
Mit der 1960 erstmals ausgegebenen Parole "Mit dem Giebel zur Straße" ("Du Pignon sur rue") begann die KPF rapide Gebäude und Grundstücke anzuschaffen. Mitte der siebziger Jahre war sie Eigentümerin von über 130 Parteihäusern, von neun solventen Verwaltungsgesellschaften und zahlreichen kleinen Immobilienfirmen, deren Aufgaben sich oft darauf beschränkten, Parteihäuser oder auch nur Büchereien zu verwalten. In einem der expansivsten Wirtschaftszweige, dem Tourismus, haben die französischen Kommunisten mit ihrem Reiseunternehmen "Tourisme et Travail" den fünften Branchenplatz erobert. Gemeinsam mit der CGT-Gewerkschaft verkaufte das PCF-Reisebüro an 2,7 Millionen Franzosen Pauschalurlaube weltweit. Eine andere kommunistische Reisefirma "Loisir et vacances", warb für Billig-Reisen nach Moskau, nach Budapest oder auch nach Ost-Berlin in der früheren DDR. Der Slogan aus damaliger Epoche klingt wie eine Parole aus einer fremden Welt des vergangenen Jahrhunderts:" Der Sozialismus lebt! Fahrt hin und seht ihn euch an!"
ÖFFENTLICHE FINANZEN ÜBER FIRMEN
Hauptaugenmerk galt dem Aufbau eines Mechanismus, öffentliche Gelder über Parteifirmen in die Parteikassen zu leiten, um damit Progaganda-Schlachten zu gewinnen und Wählerstimmen finanzieren zu können. Filzokratie in den Kommunen wurde damit zum System. Ein perfektes Beispiel dafür ist die pittoreske südfranzösische Stadt Arles, einst Hauptstadt der römischen Provinz Gallia Transalpina. In diesem Städtchen mit seinem historischen Gemäuern und nahezu 52.000 Einwohnern in der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur genießen Kommunisten seit Jahrzehnten das Vertrauen ihrer Bürger, regieren in der Nachkriegszeit - ohne Unterlass. Geradezu zwangsläufig ist daher, dass die KPF es schon in den siebziger Jahren ohne Aufschrei vermochte, die gesamte Wirtschaft der Stadt in ihre Abgängigkeit zu bringen: vom Kleinkrämerladen über den Supermarkt bis zum Bestattungsunternehmen. Wer in Arles Geschäfte machen will, kommt an der Kommunistischen Partei nicht vorbei. Um sich öffentliche Aufträge zu sichern, hat die KPF das Beratungsunternehmen "Sud-Est-Equipement" gegründet. Diese Firma, in deren Direktorium nur Kommunisten saßen, hatte vornehmlich die Aufgabe , für kommunale Projekte ein Gutachten anzufertigen, und anschließend die Aufträge u vergeben, gegen Höchstgebote zugunsten der KPF.
GELDER VOM FRIEDHOF
Ein makabres, einprägsames Beispiel war der neue Friedhof auf den weitflächigen neun Hügeln im Süden dieser Stadt. Er war vor Jahrzehnten, im Jahr 1971, ein bedrückendes, nie enden wollendes Wahlkampfthema. KP-Bürgermeister Jacques Porret, 51, Pfeifenraucher und Mercdesfahrer (auch er führt seine etwa 1.000 Euro Diäten) monatlich an die Partei ab), sagte damals: "Für die Armen ist das Sterben zu teuer. Wir Kommunisten werden einen Friedhof bauen, auf dem jeder seinen Platz findet und keine 400 Euro Bestattungsgebühr zahlen muss. Auch das gehört zur Gerechtigkeit und zur Qualität des Lebens."
FINANZ-TRICKS AN DEN GRÄBERN
Die Oberaufsicht über das Projekt bekam der Architekt Laurence Manolakakakis, Widerstandskämpfer und KP-Stadtrat. Der schob das Auftragspaket weiter an die Sud-Est-Equipement. Die vergab den Auftrag an die Baufirma Chavagnas, obwohl sie teurer als die Konkurrenten war. Der Grund: Ihr Chef kannte den Trick der indirekten KPF-Finanzierung und zahlte von vornherein 8.000 Euro (fünf Prozent des Endpreises ) als Provision an die Genossen-Organisation Sud-Est-Equipement. Indes: Von keiner Behörde mehr belästigt, konnte Chavagnas nun auf dem Friedhof bauen: Massengräber, eines wie das andere, austauschbar, bis zur Unkenntlichkeit verlaufen sich suchende Blicke , wo in 50 Meter langen Gräbern Sarg neben Sarg kommt und die Toten auf schlichten Holzkreuzen nur noch eine Nummer erhalten.
JEDER BÜRGER ZAHLT AN DIE PARTEI
Auch als die Kommune eine Kläranlage in der Rhône, ene Saline in Giraud, einen Großraumparkplatz im Stadtzentrum baute - immer kassierte die Genossenfirma Sud-Est-Equipement. Allein im Jahre 1976 nahmen die roten Kapitalisten 200.000 Euro für die Vermittlung von Aufträgen ein. In der Praxis bedeutete dies, dass jeder Bürger von Arles ungewollt einen Parteibeitrag zahlt: etwa 4 Euro pro Kopf. Sud-Est-Equipement-Manager Roger Teboul deponiert über seine Dach-Organisation GIFCO in der Pariser Rue de Dessous des Berges, die Gelder auf ein Konto bei der sowjetischen Banque Commerçiale pour l'Europe du Nord. Konto-Inhaber: KPF-Schatzmeister Georges Grosnat. - Satte Jahre mit Millionen-Summen französischer Kommunisten.
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POSTSCRIPTUM. - Die Duplizität der Ereignisse. Als der Kommunismus in den Ostblock-Staaten zu Beginn der Neunziger zusammenbrach, Jahre zuvor bereits Auflösungserscheinungen zeitigte - in jener Ära traten in Frankreich zwei Vater-Figuren ab, die die französische Nachkriegeschichte geprägt haben. Mit dem Tod des roten Multi-Millionärs Jean-Baptiste Doumeng ,67, im April 1987 aus dem südfranzösischen Noe trat ein Mann von der Bühne ab, der die "Prinzipien des Bauerntums und des Marxismus" unter einen Hut brachte und die "Ausbeutung des Kapitalismus" zu seinem Prinzip erkor. Wenn und wann auch immer die EU-Kommission aus ihrer Überschussproduktion Lebensmittel, Butter-Berge oder Milchseen verkaufte, KPF-Mitglied Doumeng machte mit dem Ostblock die Geschäfte. So zahlten etwa die Moskauer Käufer für eine Rindfleischlieferung von 175.000 Tonnen im Jahre 1985 genau 175 Millionen Dollar an Doumeng. Obwohl Doumeng zweifelsfreie Transaktionen zugunsten der KPF nicht nachgewiesen werden konnten, galt er als der "heimliche Finanzier" der Partei. Auffällig war zudem, dass mit seinem Abgang sich Frankreichs Kommunisten Schuldenberge anhäuften, ein finanzielles Desaster seinen Ausgangspunkt nahm. Die Ära der Vaterfigur Jean-Baptiste Doumeng als Geldbeschaffer aus dem Ostblock war damit jäh zu Ende.
TOD DER VATER-FIGUREN
Mit dem Abgang des Alt-Stalinisten Georges Marchais als Generalsekretär der KP begann ein nahezu unaufhaltsamer Aderlaß - Ausverkauf der Partei. Er starb im November 1997 nach einer Herzattacke in Paris im Alter von 77 Jahren. Über Jahrzehnte regierte er seine Genossen mit eiserner Faust, erstickte Demokratisierungen im Keim. Alles, was aus Moskau kam, verteidigte der volkstümliche Metallarbeiter als ein Dogma; so die blutige Unterwerfung des Ungarn-Aufstands 1956 wie auch den Einmarsch sowjetischer Truppen in Prag (1968) und Afghanistan (1979). Als Frankreichs Kommunisten sich neuen linken sozialen Bewegungen öffnen wollten, gar die Umbenennung der Partei verlangten, konnte er derlei Reformversuche noch abwehren. Die Folge: Wählerschwund. Ehedem scharten sich um die 700.000 Mitglieder bei den Kommunisten; zu Beginn des Jahres 2000/2004 waren es nur noch 138.000 Getreue. Auch die vielzitierten Wählerstimmen fielen im freien Fall. Im Jahre 1978 konnte Marschais und Genossen noch 5.870.402 Stimmen (20,5 Prozent) und damit 86 Parlamentssitze ergattern; im Jahre 2007 musste seine Nachfolgerin Marie-George Buffet, einen drastischen Vertrauensschwund verzeichnen - einen Rückgang auf 1.115.719 Wählerstimmen (4,3 Prozent). Insgesamt haben über 2,3 Millionen Wähler der KPF den Rücken gekehrt. Aderlaß
KPF - EIN SPLITTERGRÜPPCHEN
Verheerend wirkten sich dürftige Wahlergebnisse auf die ehemals prall gefüllten Bankkonten aus. Da die KPF bei den Parlamentswahlen 2007 unter der Fünf-Prozent-Marke blieb, wurden ihr nach französischem Gesetz die Rückvergütung der Wahlkampfkosten versagt. Millionen-Verluste - acht Millionen Euro. Daran konnte auch die glaubwürdige Reformerin Marie-George Buffet(Ministerin für Jugend und Sport von 1997-2002) als neu gewählte Generalsekretärin wenig ausrichten. Es gelang ihr nicht, den Abwärtstrends ihrer KPF noch zu stoppen. Bei der Präsidentschaftwahl 2007 bekam die bekennende Feministin 1,94 Prozent der Stimmen; die KPF als plittergruppe, die neue soziale Bewegung der trotzkistischen Partei LGR des Postboten Olivier Besancenot als Sammelbecken einer neuen Linkspartei auch enttäuschter KPF-Wähler. Den Niedergang der KPF dokumentieren zweifelsfrei die Wahlergebnisse zur französischen Präsidentsschaftswahl aus dem Jahre 2007. Der ledige Vater Besancenot schaffte es auf Anhieb im ersten Wahlgang 1.498.581 Stimmen auf sich zu vereinen.
KEINE EUROS MEHR - VERARMT
Die bombastisch anmutende KPF-Parteizentrale am Pariser Place Colonel-Fabien in diesen Tagen. Auf den langen Fluren herrscht Funkstille, weit und breit keine Menschen, viele Räume sind verweist, warten auf eine wie auch immer finanzierte Zukunft, auf Agenturen aus der "sozialen Wirtschaft", aus der Versicherungsbranche. Um die Euro-Not halbwegs zu lindern, vermieteten KPF-Chefs ihre Räume gar schon an weltanschauliche Erzfeinde; mal liefen Models von Pariser Courturiers über den Laufsteg in ihren Hallen auf und ab, mal durften christliche Sekten in Räumen der Kommunisten in ihrem Halleluja "Gott" um Erlösung bitten. - Gegen Bares versteht sich. Selbst das Ende der schon Jahre währenden Mund-zu-Mund-Beatmung des einstigen Paradestücks der Tageszeitung "L'Humanité" scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Die 1904 von dem Sozialistenführer Jean Jaurès (*1859+1914) Tageszeitung dümpelt magersüchtig im roten Bereich mit einer knappen 50.000-Auflage vor sich hin. Das Blatt unterhält keine Auslandskorrespondenten mehr und hat nur noch 58 Redakteure. Indes: Der Verkauf des Zeitungsgebäudes in der Pariser Vorstadt St. Denis an starke Immobiliengesellschaften dürfte offenkundig 15 Millionen Euro bringen. Das könnte die angesammelten acht Millionen Euro Haushaltslöcher der Partei wettmachen. Vorerst. Tafelsilber. Die Ära dogmatischer KPF-Marxisten-Leninisten in Frankreich ist unwiderruflich zu Ende. Ein Notgroschen bleibt allerdings noch in Reserve: Die französische Tageszeitung Le Monde berichtete, dass die KPF den Wert einiger in ihrem Besitz befindlichen Kunstwerke habe schätzen lassen: Werke von Pablo Picasso, Fernand Leger sowie Marcel Duchamps Spottbilder der Mona Lisa. Die hatte die KPF im Jahre 2005 für 99 Jahre ans Centre Pompidou verliehen. Na denn.