Dienstag, 14. März 1989

Der Bildungsminister und eine Überraschung - Als es Möllemann einmal zuviel wurde







vom 14. März 1989
von Helmut Herles

Jürgen Möllemann , einst Lehrer, dann Fallschirmjäger bei der Bundeswehr, seit April 1983 FDP-Landesvorsitzender von Nordrhein-Westfalen und in der zweiten Regierung Kohl Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, ist nicht nur für manche Überraschung gut, sondern hat auch Zivilcourage. Das bewies er vor kurzem in seiner Fernsehsendung des Westdeutschen Rundfunks namens ZAK, in der er mit einem "Überraschungsgast" überrumpelt worden war. Er tat etwas ganz und gar Unübliches: Er stand auf und ging. Die Regel ist, dass die Politiker zu vielen bösen Spielen eine gute Miene machen und still leiden. Nicht so Möllemann, den man in jener Sendung mit einem gewissen Reimar Oltmanns überrascht hatte. Dieser hat ein Buch geschrieben, das allerlei Herabsetzendes, vorwiegend über Möllemann enthält.

Zunächst hörte sich Möllemann geduldig die Sticheleien der Moderatorin an ("Ihnen geht ja ein bestimmter Ruf voraus: Keiner fragt, Möllemann antwortet"). Dann sagte die Moderatorin: "Sie wissen ja: zu einem modernen Gespräch gehört heute der Überraschungsgast." Möllemann: "Das ist ja ganz was Tolles." Moderatorin: "Ja, ja es ist was ganz Tolles, extra für Sie, eine Premiere, bitte kommen Sie rein! Das ist Reimar Oltmanns. Er ist Ihnen sicher gut bekannt, er hat en Buch über Sie geschrieben ... ... und sich heftig mit Ihnen auseinander-gesetzt. Es hat einen ganzen Band gefüllt." Was nun folgte, war eine böse Überraschung für Redaktion und Moderatorin. Möllemann sagte: "Jetzt haben wir die Überraschung für Sie: Jetzt gehe ich, ich möchte mich mit dem Herrn nicht an einen Tisch setzen. Auf Wiedersehen!"

Möllemann ließ die Geschichte nicht auf sich beruhen. Sofort nach der Sendung schrieb er Beschwerdebriefe an den WDR-Indendanten Nowottny, an den Vorsitzenden des Programmausschusses des Rundfunkrates, Oberkirchenrat Demmer, und an den Vorsitzenden des Rundfunkrates, den Landtagsabgeordneten Grätz. Er erinnerte an ähnlich "unsachliches oder unfaires Vorgehen" in der Sendung "Hier und heute" aus Bochum mit Norbert Blüm und dem nordrhein-westfälischen Innenminister Schnoor. Nun sei er in der Sendung ZAK "zum unfreiwilligen Objekt eines planvoll und systematisch angelegten Täuschungs- und Überrumpelungsmanöver gemacht worden".

Die Angesprochenen im Westdeutschen Rundfunk gaben dem Minister nicht recht. Indendant Nowottny schrieb zurück, die Redaktion habe den Minister vor der Sendung informiert, was ihn erwarte. Der stellvertretende Vorsitzende des Rundfunkrates, Pohl, teilte mit, dass nach der von Möllemann ebenfalls kritisierten Ruhrgebietssendung festgelegt worden sei, "dass die an solche Sendungen beteiligten Politiker vorzeitig über den Ablauf der Sendung sowie ihrer Gestaltung rechtzeitig unterrichtet werden". Ein "Überraschungsgast" werde vorher jedoch nicht genannt, "und das ist üblich". So sei es auch in der Sendung "Ich stelle mich" (des ZDF).

Möllemann gibt sich damit nicht zufrieden. Obwohl jener "schwarze Freitag" schon im Januar war, schrieb er am 8. März abermals an Friedrich Nowottny: "Ich muss noch einmal betonen: Weder das Wort Überraschungsgast ist in den zahlreichen Vorgesprächen gefallen." Auch ihm, Möllemann, gegenüber habe sich die Redaktion noch am Abend im Kölner Studio auffallend "bedeckt" gehalten. "Der verantwortliche Redakteur begrüßte mich nur kurz und verschwand sofort wieder unter Hinweis auf andere Verpflichtungen." - "Nur zögernd wurde mir überhaupt ein Blick auf den Sendeplan gewährt, auf dem ebenfalls nicht erkennbar war, dass außer mir ein weiterer Studiogast erscheinen würde - ein weiterer Beitrag zur Tarnung des in der Kulisse wartenden Herrn." Im Studio selbst habe es nur ein kurzes Vorgespräch mit der Moderatorin gegeben, die "en passent" davon gesprochen habe, dass es "nachher" noch eine "Überraschung" geben werde. "Wohlgemerkt: keine Rede von einem Überraschungsgast.

Möllemann sieht in dem Arrangement keine "wohlgemeinte Überraschung", sondern einen "Überraschungscoup". Nowottny solle sich der Sache noch einmal "besonders kritisch" annehmen und die Redaktion mit den "Ungereimtheiten und Widersprüchen ihres Vorgehens konfrontieren". Vielleicht ziehen die Politiker vor allem des Regierungslager, die besonders gern gepiesackt werden, daraus eine Konsequenz: Man darf sich nicht alles gefallen lassen. Eine Lektion wie die von Möllemann erteilte ist ebenfalls ein heilsamer Beitrag zur "Fernseh-Kultur".