Donnerstag, 14. Juni 1973

DDR: X. Weltspiele der Jugend - Seifenlauge für den Frieden
























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stern, Hamburg
14. Juni 1973
von Reimar Oltmanns
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Insgesamt 25.600 junge Menschen aus 140 Ländern sollen in der DDR zu den X. Weltfestspielen der Jugend und Studenten "den Ruhm des Vaterlandes im ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaat mehren", so hieß die allseitige Losung im ersten deutschen sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat in Vorbereitung zu den X. Weltfestspielen der Jugend und Studenten. Wohl noch niemals in seiner Geschichte in Zeiten der Koexistenz der beiden großen Gesellschaftssysteme, Kapitalismus und Kommunismus zu Beginn der Entspannungs-Ära in den siebziger Jahren wurde den Begegnungen junger Menschen rund um den Erdball mit so viel Interesse, ja Spannung entgegensehen. Die Weltfestspiele der Jugend und Studenten sind regelmäßig veranstaltete internationale Jugendtreffen, die seit 1947 vom Weltbund der demokratischen Jugend (WBDJ) ins Leben gerufen wurden. Im Westen hatten diese Veranstaltungen bis dat nur eine geringe Bedeutung. So waren die teilnehmenden Jugend- und Studentenverbände überwiegend links, oft kommunistisch ausgerichtet. Ausgrenzung.
WOODSTOCK DES OSTENS
Für das "Woodstock des Ostens", werden Ostberliner Schulen und Turnhallen mit Schrubber und Seifenlauge getrimmt. Brigaden der Freien Deutschen Jugend (FDJ) bringen all verfügbaren Räume für Massenunterkünfte auf Hochglanz, getreu ihrem Slogan "Jedes Bett ist Politik und ein Stück für unseren Sieg". Studenten der Humboldt-Universität renovieren das Stadion an der Chausseestraße (früher: "Walter-Ulbricht-Stadion". Junge Pioniere klappern die Haushalte nach Spenden ab.
SOLIDARITÄT UND RUHM
Denn am 28. Juli 1973 beginnen in der DDR-Hauptstadt die "X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten". Weit über hunderttausend DDR-Bürger sollen eine Woche lang "für die anti-imperialistische Solidarität, Frieden und Freundschaft demonstrieren", so der Sekretär der Ständigen Vorbereitungskommission, der französische Kommunist Dominique Vidalle. Aufbruchstimmung. Folglich putzt und poliert, renoviert und aktiviert sich die Republik; Nachhaltigkeit ist gefragt. Schließlich stehe "ein weit in die Zukunft wirkendes Ereignis" (SED-Losung) bevor, eine "große Manifestation", ein "Festival des Glücks - Freundschaft uns vereint, Festival des Kampfes - schlagt den Klassenfeind" und das in der schönsten DDR, die es ja gab. Vorbeugend griff das Minsterium die Staatssicherheit schon vor den Aufmärschen der Chöre und Singegruppen zu. Exakt 23.532 kritische Geister und "kriminell gefährdete Personen" beorderte die Volkspolizei profilaktisch in ihre Verhörräume - zum "Gespräch zweck Verhinderung einer Einreise in die Hauptstadt der DDR, Berlin". Einige hundert nahmen sie sodann den Personalausweis weg; in der DDR gleichbedeutend mit Ortsarrest. Ihr "Vergehen": Auf dem Westfestpielen gedachten sie zu diskutieren, zu feiern,zu lieben, ihren "Woodstock-Songs" vom Aufbruch in eine neue Welt zum Durchbruch zu verhelfen. Hoffnungen.
SAUBERKEITSWAHN
In der Festspielwoche erreichte der Kontrollwahn seinen Höhepunkt. Wer die "ununterbroche Sauberkeit auf Straßen und Plätzen" (Erich Honecker) bedrohte, wurde kurzerhand verhaftet und im Schnellverfahren abgeurteilt. Unversehens fanden sich 604 Menschen aufgrund ihrer "Aktivitäten" in psychiatrischen Kliniken wieder. Linientreu vermeldete die Hauptabteilung Kriminalpolizei, dank ihrer "hohen und ständig steigenden Anstrengungen" sei es gelungen, allein in Berlin und dem märkischen Umland 2.072 "Asoziale" festzunehmen. Als asozial wurden schon jene DDR-Bürger eingestuft, die nicht regelmäßig im Arbeiter- und Bauernstaat arbeiten wollten.
MASSENSPEKTAKEL
Dabei sollte ein nach strengen Ritualen folgendes Massen-Spektakel inszeniert werden, das "den Ruhm des Vaterlandes mehrt" (Schwimm-Olympiasieger Roland Matthes, vier Goldmedallien, 21 Weltrekorde); immerhin laufen die systematischen Vorbereitungszeiten schon nahezu seit zwei Jahren. Im Ost-Berliner Rathaus gab SED-Chef Erich Honecker (*1912+1994) die Devise aus: "Die Jugend hat die Verpflichtung, den gesamten Reichtum der marxistischen-leninistischen Lehre in sich aufzunehmen und zu verarbeiten", da "die friedliche Koexistenz im stärkeren Maße zur Begegnung von Menschen aus verschiedenen Weltanschauungen führt".
NACHILFE-UNTERRICHT
Damit die DDR-Jugend für solche Begegnungen ideologisch gerüstet ist, hat Festival-Organisator Erich Rau politischen Nachhilfe-Unterricht angeordnet. Ziel der Schulungsarbeit ist, so das SED-Zentralorgan Neues Deutschland , "die Fähigkeit des Diskutierens und Argumentierens bei den Schülern zu festigen". Denn bei einer Umfrage unter Jugendlichen hatte die Partei mangelnde Linientreue und bürgerlich-westliche Gedanken festgestellt. Heinz Fischer, Mitarbeiter der Abteilung Volksbildung im Zentralkomitee der SED, forderte deshalb die Staatsbürgerkunde-Lehrer auf, "den Unterricht mit hoher Wissenschaftlichkeit und Parteilichkeit und in enger Verbindung mit dem Leben" zu gestalten. Die SED verteilte Argumentationshilfen für den politischen Schul-Unterricht. Themen: "Warum ist der Imperialismus gesetzmäßig zum Untergang verurteilt?" (10. Klasse), "Was heißt in unserer heutigen Zeit, konsequenter Materialist zu sein?" (11. Klasse), "Warum ist eine ständige offensive Auseinandersetzung auf ideologischen Gebiet mit dem Imperialismus notwendig?" (12. Klasse).
ÜBERALL WIE NIRGENDS - "SICHERHEIT"
Doch die DDR-Spitze fürchtet nicht nur politische Auseinandersetzungen. Kopfzerbrechen bereitet ihr auch das Problem der Sicherheit ihrer Gäste aus 140 Ländern. Nach dem Vier-Mächte-Abkommen über Berlin aus dem Jahre 1971 kann die DDR nicht verhindern, dass Extremisten von rechts und links - von Exilkroaten über Ustascha-Partisanen und palästinensische Kommando-Unternehmen bis hin zur westdeutschen KPD/ML - mit einer einfachen Tageserlaubnis über Westberlin in ihre Hauptstadt einreisen. Deshalb tüftelt das Ministerium für Staatssicherheit zur Zeit Pläne aus, wie militante Störaktionen während des Festivals verhindert werden können. Immerhin: 27.000 Stasi-Mitarbeiter und 24.100 Volkspolizisten patrouillieren auf den Straßen der DDR-Hauptstadt, um möglichst diskret Land wie Leute der Festival-Teilnehmer auszuspionieren. Man müsse, konstatierte der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke (*1907+2000) "sich als Tschekist diesmal wie die drei Affen verhalten und trotzdem sehen, hören und richtig und konsequent handeln". Folgerichtig wird das Gebäude der Ständigen Kommission für Weltfestspiele in der Maurerstraße 38-40 nicht nur bewacht, sondern nachts werden sogar alle Räume mit Plomben versiegelt.
NVA-SPEZIAL-EINHEITEN
Spezialeinheiten der Nationalen Volksarmee (NVA) erhalten seit Monaten eine besondere Ausbildung. Sie sollen in Zivil die Delegationen aus aller Welt bewachen. Denn nichts wäre der DDR unangenehmer, als gewalttätige Auseinandersetzungen auf ihrem Territorium. Ein SED-Funktionär. "Wir wollen hier keine Neuauflage der Ereignisse von Fürstenfeldbruck." (am 6. September 1972 fanden bei einer gescheiterten Geiselbefreiung der Olympischen Sommerspiele auf dem dortigen Militärflughafen 15 Menschen den Tod ).
REISE-BESCHRÄNKUNG
Allein schon aus diesen politischen Gründen will Chef-Koordinator Erich Rau verhindern, dass die ausländischen Delegationen während des Festivals Westberlin besuchen. Erich Rau, der vom SED-Chef Erich Honecker gegenüber allen DDR-Behörden ausgestattet wurde: "Wir gehen davon aus, dass die Gruppen in die DDR einreisen und sich die ganze Zeit hier aufhalten." In Ostberlin wurde sogar die Zahl der Diskotheken von acht auf 23 erhöht. damit die Teilnehmer nicht auf die Idee kommen, das Nachtleben in Westberlin zu genießen. Die 125 Meter breite Karl-Marx-Allee soll zum Festplatz werden.
INTERNATIONALE AUFWERTUNG
Da es in der DDR bei diesem Festival in erster Linie um weitere internationale Aufwertung geht, betonen die Mitglieder des Organisationskomitess stets die politische Vielseitigkeit der Veranstaltungen. Dominique Vidalle: "Dies ist kein kommunistisches Festival. Alle Weltanschauungen kommen hier zu Wort." Dieter Lasse, Sekretär der bundesdeutschen Delegation, fühlt sich dennoch benachteiligt. Die Ostberline haben der Bundesrepublik nur 800 Plätze zugestanden. Allein das kleine Kuba schickt 500 Teilnehmer, freillich Kommunisten.
LASTWAGEN MIT PAPIER
Derlei Praktiken wollen die Jungsozialisten listig unterlaufen. Sie nehmen zwei Lastwagen Papier, eine eigens für die Festspiele geschriebene Broschüre und sogar Vervielfältigungsmaschinen für ihre politische Arbeit mit nach Ostberlin. Schließlich galt es auch auf Kurioses spontan reagieren zu können. So hatte etwa die DDR-Regieurng den Hauptveranstaltungsort, das Walter-Ulbricht-Stadion kurzerhand in Stadion der Weltjugend umbenannt. Walter Ulbricht ( *1893+1973; ehemals Staatsratsvorsitzender der DDR) starb während der X. Weltfestspiele im Gästehaus der Regierung der DDR am Döllnsee. Ulbrichts Urne erhielt später einen Ehrenplatz in der Gedenkstätte der Sozialisten im Zentralfriedhof Friedrichsfelde. Sein Name wurde schon kurz nach seinem Tode weitgehend aus der DDR-Geschichtsschreibung getilgt.


Donnerstag, 7. Juni 1973

Aus deutschen Landen der Zeitgeschichte - Geheim-Mission in Ostberlin



Im Jahre 1973: SPD-Fraktionschef Herbert Wehner, Stieftochter Greta Burmester, Erich Honecker und FDP-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Mischnick im Landhaus des SED-Chefs . - "Ich habe mit einem gestandenen Mann gesprochen" (Herbert Wehner)

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stern, Hamburg
07. Juni 1973
von Reimar Oltmanns
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Von geheimer Mission aus Ost-Berlin zurückgekehrt, wurde Herbert Wehner (*1906+1990) redselig. Der SPD-Chefstratege (Fraktionsvorsitzender im Bundestag, 1969-1983) bat die Genossen im Parteivorstand um "Verzeihung", weil er ihnen seine Stippvisite bei SED-Chef Erich Honecker (*1912+1994) verschwiegen hatte. Dann verlas er eine dreiseitige Erklärung über die politischen Gespräche mit dem mächtigsten Mann der DDR. Die Lesestunde stelle die Genossen im Westen zufrieden. Sie gingen zur Tagesordnung über.
GEHEIMNIS-KRÄMEREI
Noch wenige Tage zuvor hatten sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete ihren Unmut über die Geheimniskrämerei des SPD-Fraktiosvorsitzenden gezeigt. Am späten Dienstagabend des 22. Mai 1973 war Herbert Wehner mit dem Auto nach Ost-Berlin aufgebrochen. Bei Tagesanbruch hatte er am Mittwochmorgen mit seiner Stieftochter Greta Burmester (seit 1983 verheiratete Wehner) den Kontrollpunkt Herleshausen an der DDR-Grenze passiert. In seinen Reiseplan waren nur Bundeskanzler Willy Brandt (1969-1984; *1913+1992) und die Minister Egon Bahr, Walter Scheel und Helmut Schmidt eingeweiht. - Deutsch-deutsche Geheimdiplomatie. Herbert Wehner hatte sich nicht einmal seinem Memoiren-Autor Reinhard Appel (Chefredakteur des ZDF, 1976-1988 ) anvertraut, der ihn noch am Dienstagabend in seinem Reihenhaus in Bad-Godesberg besucht hatte. Der SPD-Spitzenpolitiker hatte sich zu einer strengen Geheimhaltung entschlossen, um die Konsultationen mit SED-Chef Erich Honecker (1971-1989) durch spektakuläre Presseberichte stören zu lassen.
GRUND-VERTRAG "MIT LEBEN ZU FÜLLEN"
Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und sein liberaler Amtskollege Wolfgang Mischnick (*1921+2002) waren kurz vor dem Staats-Besuch in Bonn des sowjetischen KP-Chefs Leonid Breschnew (*1906+1982: Parteichef der KPdSU von 1964 bis 1982) von der SED-Spitze und der Liberal-Demokratischen Partei (LDPD) zum politischen Meinungsaustausch in die DDR-Metropole eingeladen worden. Die Koalitionsbrüder verabredeten eine konzertierte Aktion, "um den Grundlagen-Verlag mit Leben zu füllen" (Mischnick). Zur Erinnerung: Als Grundlagenvertrag wurde das Abkommen zwischen der BRD und DDR bezeichnet, das die Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten völkerrechtlich regelt. Er wurde am 21. Dezember 1972 geschlossen , am 11. Mai 1973 ratifiziert und trat am 21. Juni 1973 in Kraft.
BRD-DDR
In Artikel 1 bis 3 vereinbarten beide Regierungen gutnachbarschaftliche Beziehungen. Sie verpflichteten sich zudem, "bei der Beilegung von Streitigkeiten auf Gewalt zu verzichten und die gegenseitigen Grenzen zu achten". Vor der Unterzeichnung der Verträge übergab der Unterhändler von Bundeskanzler Willy Brandt (1969-1974), der Bundesminister für besondere Aufgaben Egon Bahr (1972-1974 ) der Ost-Berliner Staatsführung den "Brief zur deutschen Einheit, in dem festgestellt wird, dass das Abkommen "nicht im Widerspruch zu dem politischen Ziel der Bundesrepublik Deutschland steht, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt."- Wandel durch Annäherung.
BESUCH DER ALTEN DAME
Als Termin notierten die Bonner Fraktionschefs die letzte Mai-Woche, in der Wolfgang Mischnick ohnehin in die DDR fahren wollte, um seine schwerkranke Mutter in Dresden zu besuchen. Bestärkt wurden die beiden sozialliberalen Spitzenpolitiker in ihrer Absicht, mit Erich Honecker über die Verbesserung der innerdeutschen Beziehungen zu reden, durch die Verfassungsklage des Landes Bayern gegen den BRD-DDR-Grundvertrag.
VERFASSUNGS-KLAGE
Am 23. Mai 1973 legte die Bayerische Staatsregierung Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht mit dem Ziel ein, das Abkommen als mit dem Grundgesetz nicht vereinbar zu erklären. In der Begründung bemängelte das Land Bayern, dass der Vertrag das grundgesetzliche Wiedervereinigungsgebot verletze und für Berlin nur eingeschränkt Geltung habe. Außerdem würde die Fürsorgepflicht gegenüber Deutschen der Demokratischen Republik verletzt, da keine Intervention zu ihrem Schutz mehr stattfinden könnten. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wies am 31. Juli 1973 die CSU-Klage als nicht begründet ab. Zugleich betonten die Bundesrichter, dass das Wiedervereinigungsgebot nach wie vor alle Verfassungsorgane (u.a. Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat) binde. Nur der Weg zur Wiedervereinigung bleibe den politischen Akteuren überlassen.
POLITISCH OPPORTUN
Um sich politisch abzusichern, fragte Herbert Wehner 48 Stunden vor der Abfahrt den Bundeskanzler Willy Brandt, ob unter diesen Umständen der Trip nach Ost-Berlin "opportun" sein. Brandt war einverstanden, denn er hielt es für zweckmäßig, Erich Honecker in einem persönlichen Gespräch über die neue Situation in der Bundesrepublik zu informieren.
ALTE KAMPFGEFÄHRTEN
Auf der Terrasse seines Landhauses in der Schorfheide bei Berlin philosophierten dann am Himmelfahrtstag der SED-Chef und seine bundesdeutschen Gäste über die Bayern-Klage und den UNO-Beitritt der beiden deutschen Staaten (18. September 1973). Dann wurde das Gespräch persönlich, sehr persönlich. Erich Honecker und Herbert Wehner, die sich noch aus den dreißiger Jahren kennen, tauschten bittere Erfahrungen aus: Beide hatten als Polit-Häftlinge im Zuchthaus gesessen.
HÄFTLINGE VON EINST
Erich Honecker wurde im Jahre 1935 von der Gestapo verhaftet und zunächst bis 1937 im Berliner Gefängnis Moabit in Untersuchungshaft gehalten; sodann zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Er saß bis zum 6. März 1945 in der Anstalt Brandenburg-Görden ein. KPD-Funktionär,der Herbert Wehner seit 1927 war, der im Jahre 1935 vor Verfolgung nach Moskau emigrieren musste, wurde im Jahre 1942 in Stockholm verhaftet und wegen Spionage zunächst zu einem Jahr Gefängnis, dann im Berufungsverfahren zu einem Jahr Zuchthaus verurteilt. Während seiner Internierung vollzog Herbert Wehner seinen Bruch mit dem Kommunismus. Herbert Wehner über den mächtigsten Mann der DDR: "Hätten die Nazis damals gewusst, welches Kaliber der hat, hätte er das Zuchthaus nicht überlebt."
ERLEICHTERUNGEN NUR, WENN ... ...
Als die Herren auf den Juristen-Streit um den Grundlagen-Vertrag zu sprechen kamen, zeigte sich Erich Honecker zunächst verständnisvoll. Der SED-Chef: "Das ist eine innere Angelegenheit der BRD." Dann ließ er einen Wermutstropfen ins Verständigungsglas fallen: Ohne Inkrafttreten des Grundlagen-Vertrages werde es keine menschlichen Erleichterungen geben. Der von den SED-Genossen bis vor kurzem befehdete Ex-Kommunist Herbert Wehner ist nach seiner DDR-Reise überzeugt, dass mit dem Grundlagen-Vertrag eine neue Ära zwischen den beiden Deutschlands beginnt. Wehner zu Parteifreunden: "Ich habe mit einem gestandenen Mann gesprochen, auf den man sich verlassen kann."
SACHLICHE BERICHTE
Und Erich Honecker gar sah sich veranlasst, während der Gespräche die "sachliche Berichterstattung" des ARD-Korrespondenten Ernst Dieter Lueg (*1930+2000) zu loben. Der Fernseh-Journalist hatte einen Beitrag über Land und Leute aus Dresden übermittelt. Wehner reagierte sofort und schlug dem Gastgeber vor: "Da kann für Ihren Karl-Eduard von Schnitzler (*1918+2001) ja künftig der Lueg im DDR-Fernsehen die Kommentare sprechen."